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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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Burgverwaltung und jede Menge Geladene.“
    „Drei Polizisten waren abgestellt? Nicht mehr? Das nennt sich Personenschutz? Inmitten einer Mordserie? Inmitten dieser Mordserie?“
    Ein Ruck ging durch den Kommandeur. „Wir sind nur Ausführende“, sprach er mit trotzigzorniger Stimme. „Fünf Mann, hat der Befehl gelautet. Drei heroben, zwei unten. Das zu entscheiden, liegt außerhalb meiner Befugnis.“
    „Wer hat das denn entschieden?“
    „Der Herr Polizeidirektor. Nach dem Mord an dem Lateinlehrer schien die Gefahr für Politiker nicht mehr so groß, hieß es. Und außerdem: Sie wissen so gut wie ich, was Überstunden in der Menge auf Dauer kosten?
    „Na dann. Bravo. Und die Plattform da drüben? Wurde die überprüft heute früh?“
    Ein Anflug von Verlegenheit beschattete sein Gesicht. „Ich denke nicht?
    „Ich denke nicht!?“, wiederholte ich energisch. „Das sehe ich, dass hier nicht gedacht wird.“
    „Der Bereich ist gesperrt?
    „Was soll das heißen: Der Bereich ist gesperrt.“
    „An der Gabelung der Zufahrtstraße mit dem Pfad, der nach hinten zum Jungfernsprung führt, ist eine Tafel samt Absperrband angebracht. Achtung Steinschlaggefahr! Zugang verboten!“
    „Ah ja, das hält einen potenziellen Attentäter natürlich ab, nicht wahr?“
    „Ich dachte. . .“
    „Eben nicht. Wer hat den Schützen gesehen?“
    „Der Kollege da drüben. Er stand neben der Frau Landeshauptmann, als der Schuss fiel? Er wies ins südwestliche Eck des Turmes, wo ein junger Beamter mit gedrungenem Körper zu einem uniformierten Stock erstarrt an der Mauer lehnte. Da schau her, dachte ich, ein alter Bekannter. Der Herr Kollege vom Klausbergermord. Der mit der frühmorgendlichen Vorwitzigkeit. Der Insektenkopf. Heute einmal ganz blass und schweigsam. Seine Augen flackerten unablässig zwischen der Toten und der weißgrünen Burgfahne hin und her, die ihm nach jedem neuerlichen Blick auf das blutverkrustete Haupt als Auffangkissen und Ruhepol seines innewohnenden Schreckens zu dienen schien. Als er bemerkte, dass wir über ihn sprachen, weiteten sich seine Pupillen ums Doppelte. Er starrte durch mich hindurch, als läge der Fluchtpunkt seines Blicks weit jenseits der Mur, und sein Körper begann mit rasch steigender Intensität zu vibrieren.
    Auch der Notarzt, der soeben mit einem verschwitzten, fluchenden Michelin im Gefolge durch den Holzvorbau ins Freie trat, um die Reste seiner Ausrüstung rund um die Tote einzusammeln, wurde auf den schlotternden Kollegen aufmerksam. Er sprach mit gedämpfter Stimme beruhigend auf ihn ein, packte ihn behutsam an beiden Oberarmen und zwang ihn mit sanftem Druck in eine sitzende Position. Als ich mich anschickte, ein paar Schritte auf ihn und seinen Patienten zuzutun, um die eine oder andere Frage zu stellen, winkte er ab. „Später.“ Dann griff er zum Funkgerät und beorderte einen Sanitäter zu sich.
    „Wer liegt in dem Krankenwagen da unten?“, fragte ich den Kommandeur der Uniformierten.
    „Einer von den Sicherheitsleuten der Frau Landeshauptmann? Und noch ehe ich meinen fragenden Blick akustisch hinterlegen konnte, fuhr er fort: „Nein, nein, es wurde nur einmal geschossen. Er wollte in halsbrecherischer Manier die Stufen hinunter und rüber zur Plattform. Das ist ihm auch gelungen.“
    „Was?“
    „Das Halsbrecherische.“ Er machte eine Kopfbewegung in Richtung Notarzt. „Verdammt steile Angelegenheit, der Treppenabgang. Er ist kopfüber runter. Spürt seine Beine nicht mehr. Verdacht auf Querschnitt, sagt der Doktor.“
    Bedrücktes Schweigen reihum, nur durchbrochen vom Klicken der Schnallen, als Michelin den Deckel seines Koffers neben der Toten aufschlug und nach prüfendem Blick auf seine Patientin das geeignete Stück des Instrumentariums wählte. Und vom leisen Murmeln des gemächlich aufkommenden Windes, der über die breiten Zinnen hinwegstrich und ein paar Haarsträhnen der Ermordeten, die der klebrigen Wirkung erst verspritzten und dann stockenden Blutes entronnen waren, bauschte. Mir war, als wollte sie ein letztes Mal die Stimme erheben. Mitleid keimte in mir auf. Sie hat nichts für uns getan, dachte ich. Aber sie hat auch niemandem etwas getan. Ein unrühmliches Ende wie dieses, mit einer Kugel im Kopf auf dem Turm einer alten Burgruine zu liegen, hat selbst die unfähigste aller Politikerinnen nicht verdient.
    „Wenn Sie einen anderen Zeugen wollen, Herr Oberstleutnant . . .“ Der Kommandeur deutete auf einen elegant gekleideten

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