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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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außerdem: Man weiß nie.“

Im Keller, Sonntagmorgen
    Warum so rastlos, Herr Redakteur? Acht Uhr und schon wach? Das schreibende Volk schläft ja bekanntlich gerne lang, oder irre ich mich da? Vor neun oder zehn Uhr früh trifft man doch keinen von euch in den Redaktionen an, richtig? Am Telefon gibt‘s nur den stupiden Beantworter. Sie rufen außerhalb unserer Dienstzeiten an, aber Sie können gerne eine Nachricht hinterlassen. Man sollte hinzufügen: Das ganze Land arbeitet bereits, nur die Herren Journalisten nicht. Ich habe euch immer für ein faules Pack gehalten.
    „Ich brauche einen Arzt. Der Schmerz vom Daumen klopft bis ins Hirn hoch. Wenn nicht bald etwas geschieht, verrecke ich. Aber das ist dir ja egal, du Scheißkerl. Bring mich doch um, aber mach es rasch, sonst werde ich wahnsinnig.“
    Was Sie zur Zeit genießen, Herr Redakteur, ist ein Inklusivurlaub. Ich hätte es auf den Prospekt schreiben sollen, mein Fehler. Schmerz inklusive, müsste es in der Werbung heißen. Sie haben Recht. Freut mich, dass Sie trotzdem bei uns gebucht haben. Als Bonus gibt es eine neue Ladung von Schmerztabletten und eine volle Flasche Sorgenkiller.
    „Hör auf, ich kann deinen Scheiß nicht mehr hören. Zeig mir doch endlich dein Gesicht, nimm die Maske ab. Oder hast du Angst, dass ich dich verpfeifen könnte? Heißt das, dass du mich am Ende doch nicht umbringen wirst? Du machst mich zum Serienmörder, dann lässt du mich frei? Ich darf zwar leben, aber dieses Leben wird im Knast stattfinden? Ist es das, was du planst? Warum? Zum Teufel, warum? Was habe ich dir getan?“
    Du hast mich aus meinem Leben geschrieben und du weißt es nicht einmal mehr? Mein Fall war für dich so unbedeutend, dass du ihn vergessen hast? Das kränkt mich zutiefst, weißt du das? Meine Vernichtung ist dir nicht einmal die Erinnerung wert!
    „Ich habe mehr als zweitausend Kolumnen geschrieben, da kann man sich unmöglich an jede einzelne erinnern. Das musst du verstehen, ich bitte dich.“
    Lassen wir dieses Thema. Eigentlich bin ich gekommen, um dir zu erzählen, wie du die letzte Nacht verbracht hast. Die Sache mit dem Thermen-Leo, weißt du noch?
    „Oh Gott. . .“
    Gestern nacht warst du ein ganz anderer. Ein Mutiger. Du hast ein Ziel vor Augen gehabt und es anvisiert. Nichts hat dich aus der Ruhe gebracht. Du hattest einen Plan, jeder Schritt war exakt ausgetüftelt. Vorbereitung ist alles. Das weißt du doch. Der Zufall ist eine Klippe, die da sein kann, oder auch nicht. Auf jeden Fall muss man bereit sein, sie zu umschiffen. Klar? Aber gestern nacht war keine Klippe da. Sogar dein Wunschparkplatz war frei. Natürlich hattest du alles zuvor genau ausgekundschaftet. Ein Winkel im Dunklen, der um diese Zeit nie verparkt ist, aber man kann ja nie wissen. Der Ersatzparkplatz wäre nur zweite Wahl gewesen. Dort gehen mehr Menschen vorbei, und einer hätte sich das Auto vielleicht merken können. Unwahrscheinlich, aber vielleicht doch eine Klippe. Hat nicht stattgefunden. Du hast genau dort geparkt, wo du es geplant hattest. Exakt zur geplanten Zeit. Null Risiko. Oh, ich habe vergessen zu erwähnen, dass es die Eggenberger Allee ist, ein nachts recht dunkler Ort. Dann bist du in den Schlosspark gegangen.
    „Hör auf, ich bitte dich, hör auf!“
    Oh nein, du wirst zuhören. Es ist dein Leben, deine Realität. Du bist der Held dieser Geschichte und sie ist noch lange nicht aus. Es war regnerisch dort draußen. Mies, kalt und nieselnd. Um nicht aufzufallen, hast du dich einer Gruppe von geladenen Gästen angeschlossen und bist mit ihnen auf dem Mittelweg bis zum Schlosstor gegangen. Dort bist du kurz stehen geblieben, hast gewartet, bis die anderen weg waren, dann bist du langsam in den Park zurückgeschlendert. Du hast den rechten Weg genommen, bist den Zaun entlanggegangen, der jetzt dort ist, wo früher die Römersteine ausgestellt waren. Hast du gewusst, dass sie jetzt nicht mehr dort sind?
    „Keine Ahnung. Nein. Römersteine . . . Ist doch egal. Ich will nicht. . .“
    Schade, dass man sie weggebracht hat. Ich war früher gerne dort und habe versucht, die Inschriften zu entziffern. War eine Art Zeitreise. Cäsar und die Legionäre. Es war immer sehr still dort. Nur der Park und ich. Die Steine haben in Wahrheit keine Seele außer mich interessiert, wahrscheinlich hat man sie deshalb weggebracht. Mangelndes Publikumsinteresse. Manchmal habe ich dort die Schwerter klirren gehört. Das römische Reich, das mächtige. Irgendwie ist es in

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