zuadraht
sagen, wie es die Kollegen gerne tun, wenn sie einen im Verhör in die Mangel nehmen, dass wer schweigt, lügt, nur weil er beim Ehrlichsein nicht reden will.
Hochauer durchbrach die betretene Stille. „Haben Sie etwas für mich, Herr Oberstleutnant?“
„Ich halte Wort, aber eine Gegenfrage vorweg, Herr Hochauer. Wie würden Sie die Story anlegen, wenn es tatsächlich Ihr Kollege Hanser war? Wie ist da die Blattlinie?“ Das interessiert mich schon lange, dachte ich, wie sie bei euch Schreiberlingen damit umgehen, wenn einer aus der eigenen Reihe tanzt und zum glühendheißen Folienerdapfel wird.
„Darüber hat sich schon ein anderer den Kopf zerbrochen, darauf können Sie einen . . .“
„Sie meinen. . .?“
Hochauer kappte den Gedankenstrang, den ich soeben zu flechten begonnen hatte, mit messerscharfem Zungenschnitt. „Ich meine gar nix. Meinung ist Chefsache. Und Blattlinie ist die Summe der verschiedenen Meinungen des Chefredakteurs. Ich weiß nur, der Stocker, mein Chef, ist für nix gut außer für eine Überraschung. Wenn einer es versteht, eine Niederlage in einen Sieg umzumünzen, dann er. Sein Mantel flattert immer, ganz gleich, woher der Wind weht, Sie verstehen?“
„Er lässt den Hanser also fallen?“ erwiderte ich. „Ist das die neue Form von Offenheit, wenn ein Mitarbeiter etwas ausgefressen hat?“ Das wäre ja, dachte ich, als begönnen Chirurgen, die Kollegen öffentlich der Schlächterei zu zeihen, nur weil sie einem die intakte Lunge herausgeschnipselt haben statt des verkrebsten Hodensacks; oder als gäben wir Bilder an die Presse weiter und schrieben auch noch die Namen der Vernehmungsbeamten drauf, ohne zuvor die grünblauen Flecken in den Gesichtern der Verdächtigen zu retuschieren.
Hochauer fuhr fort, als hätte er meine Gedanken aufs Neue erraten. „Transparenz lässt sich leicht groß schreiben, solange sie nur geschrieben steht, Herr Leimböck. Ist das in Ihrem Verein nicht genauso?“
Herr Leimböck, sieh einer an, dachte ich. Jetzt hat der Hochauer doch glatt den Herrn Oberstleutnant unserer verschwörerischen Vertrautheit geopfert. Aber was soll das Geschwafel mit der Transparenz? „Ich fürchte, ich verstehe Sie nicht ganz.“
„Können Sie zweierschnapsen, Herr Leimböck?“
„A Regl họbds fias ganze Lebm, gebm, ausschbüln und schdechchn oda sche brav zuagebm.“
„Wie?“
„I drah zua, von Wolfgang Ambros, ein Wirtshausklassiker, Herr Hochauer. Beim Meinhart oben in Wenisbuch sagen sie Sechsundsechziger-Ferl zu mir.“
„Weil Sie schnell genug haben?“ Hochauer gurrte und gurgelte hintergründig.
„Weil ich die Sechsundsechzig meist punktgenau schaffe.“
„Umso besser, dann werden Sie mich verstehen.“ Ein lang gezogenes Pfeifen füllte die Leitung, als Hochauer tief ausholte. „Sie stehen auf Zwei und Ihr Gegner auf Luft. Der Schneider ist zum Greifen nah, die Demütigung schlechthin. Er hat den Vierziger in der Hand, und Sie heben zur Trumpfsau den Zehner. Sie wollen, dass er zudreht, Ihnen in die Falle geht und Sie die entscheidenden zwei Punkte schreiben. Wie werden Sie dreinschauen? Siegesgewiss lächelnd oder verliererisch verzweifelnd?“
Ich musste nicht lange überlegen. „Verzweifelnd.“
„Sehen Sie, und der Stocker ist genauso. Er wird sich die Haare raufen. Ein einaktiges Theaterstück, nur für Sie inszeniert und uraufgeführt. Er wird den Hanser nicht in Schutz nehmen, aber auch nicht verteufeln. Er wird sagen: Schauen Sie, Herr Oberstleutnant, der Kollege Hanser hat über viele Jahre hinweg jenen eine Stimme verliehen, die keine hatten. Im Dienste der Gerechtigkeit. Und deshalb, wird der Stocker weiter sagen, bringen wir die Hanser-Glossen nach wie vor, weil er es ist, der jetzt eine Stimme braucht. Im Sinne der Gerechtigkeit. Weil der Angeklagte nicht ungehört verurteilt werden darf. Vorverurteilt. Das haben wir noch nie getan, jemanden vorverurteilen, wir von der Guten , wird er sagen. Wir haben nix zu verheimlichen und werden ausgewogen berichten, wie wir es immer getan haben. Das ist unsere moralische Pflicht. Und dann wird der Stocker zaudern und hadern. Er wird verliererisch verzweifelnd dreinschauen und sich Ihnen transparent machen. Durchsichtig im festen Glauben, dabei undurchschaubar zu sein. Er wird warten, bis Sie zudrehen, Herr Leimböck, und Ihren Vierziger mit Sau und Zehner zertrümmern, dass es nur so rauscht, Sie verstehen?“
„Soll das heißen, der Stocker macht sich den Hanser auch als echten
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