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zuadraht

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Titel: zuadraht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kopacka
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auch gleich runter geben, sonst hol ich die Polizei. Ihr Betrüger werdet immer dreister. Früher habt ihr wenigstens nur ein Arzt-im-Dienst-Schild hinter der Scheibe gehabt oder eines für dringende Arzneiwaren. Aber das zieht nimmer so, gell? Bin Laden geht erst recht nicht mehr, hahahaha. Dann müssen S’ halt ein bisserl zu Fuß gehen, werter Herr, wenn da in der Gasse kein Parkplatz frei ist. Und außerdem, zu wem wollen S’ denn überhaupt? Heute ist Sonntag?
    Und dass der Herr Chefredakteur einen wie mich empfängt, so ganz ohne Termin, kannst du dir sowieso nicht vorstellen, hörte ich dich sagen, und der Dienstausweis und die Dienstmarke, die ich dir unter die rote Knollenblätternase rieb, sind auch nicht echt, und die Dienstwaffe schon gar nicht, hörtest du mich sagen, und das war dann doch ein wenig zu viel des Falschen auf einmal, als dass es nicht echte Wirkung gezeigt und ich Augenblicke danach den Aufzug zu den Redaktionsräumen des barocken Zeitungswabenpalais betreten hätte.
    Der Stocker ist eine Drohne, genau wie der Kurze, hat der Hochauer gesagt, dachte ich nun, als mir die Sekretariatsbiene einen Kaffee anbot und mich bat, in einem englischen Ohrensessel ein klein wenig Geduld zu haben, bis der Herr Chefredakteur sein Telefongespräch zu Ende geführt habe. Hinter seiner gepolsterten Doppeltür zwischen dickwandigem, altehrwürdigem Gemäuer. Die übers Jahr unnütze Drohne, die nur dem Befruchtungstanz der Königin dient, und die Arbeitsbienen summen emsig dazu hinter dicken Mauern, ganz wie im Paulustor, wo sie immer noch glauben, die Wandstärke stehe verkehrt proportional zur Wahrscheinlichkeit, dass nach außen dringe, was nur für innen bestimmt ist.
    „Ich habe gehört, es hat ein kleines Problem mit dem Wagen gegeben, Herr Oberstleutnant? Ein bulliger Körper Anfang vierzig in steirischem Loden stand in der Tür und holte mich aus meiner Träumerei heraus und aus dem Ohrenfauteuil zurück in die Wabe und hinein in sein weiträumiges, an zwei Seiten durch mannshohe Flügelfenster vom Licht geflutetes Büro. „Mit dem Parken ist es ein Kreuz da in der Altstadt. Aber Sie hätten doch im Innenhof den Platz vom Hanser nehmen können, der ist gerade nicht da.“
    Der verzieht keine Miene, wenn er das sagt, dachte ich. Ganz nach Drohnenmanier, wo die schmeichlerischsten Worte neben den heuchlerischsten und abgefeimtesten stehen und sie nur zu unterscheiden weiß, wer in den Mienen der Umstehenden zu lesen vermag. „Geht das bei Ihnen immer so schnell, Herr Chefredakteur? Zwei Tage nicht da und schon ist der Parkplatz weg. Und nach einer Woche der Sessel?“
    „Womit wir auch schon beim Thema wären“, erwiderte Stocker. Und fügte rasch hinzu: „Ich weiß, was Sie denken. Aber wenn Sie die Hanser-Kolumne aufmerksam gelesen hätten und meinen Kommentar gleich dazu, so ganz und gar zwischen den Zeilen, Herr Oberstleutnant, dann hätten Sie erkannt, welch ungeheueren Verschwörung der Kollege Hanser tatsächlich auf der Spur ist.“
    „So ungeheuer, dass seine Fingerabdrücke auf der Tatwaffe sind?“ Verscheißern kannst du einen anderen, dachte ich und spürte, wie mein Blut zu kochen begann. Nicht das kleinste Augenflattern, nicht das leiseste Mundwinkelzucken. Stocker hielt meinem Blick stand, als hätte ihn die göttliche Gnade einer beidseitigen Gesichtslähmung ereilt.
    „Selbst das wundert mich nicht. Das ist Teil des großen Plans, wie er einer guten Verschwörung zugrunde liegt. Aber wenn ich mich nicht irre, ist es Ihre Aufgabe, das herauszubekommen, nicht wahr?“
    Die Drohne warf sich rücklings und breitarmig in ihren dicken Ledersessel mit der Zufriedenheit eines Boxchampions beim Pausengong, wenn der Gegner schon in Runde eins nach Punkten weit zurückliegt, angeschlagen in den Seilen hängt und beim nächsten Treffer angezählt wird. Der Hochauer hat nicht übertrieben, dachte ich. Der dreht tatsächlich zu, auch ohne Atout. Ich hatte mir vorgenommen, ganz langsam und von hinten herum zur Sache zu kommen. Ganz nach Plan, der da heißt, dass der beste Plan jener ist, der aus mehreren besten Plänen besteht, und die Lehre daraus ist, dass zumindest einer der besten Pläne ans Ziel führt, den Lehrplan eben. Denn der Kriminalist, sage ich mir immer, dachte ich, hat auch etwas von einem Lehrer. Ob es dem Lehrer oder dem Kriminalisten nun passt oder nicht. Und die Lehre lautet, dass der Plan bei aller Routine immer ein Spiel aus Versuch und Irrtum ist, weil jede Situation

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