Zuckerblut
ein Stück weiterbrachten. Der Kommissar hatte zwar keinen Grund, Weinbrecht in irgendeiner Art zu verdächtigen, aber diese Methode des ›Sich-dumm-Stellens‹ wandte er durch seine jahrzehntelange Berufspraxis schon automatisch und nahezu unbewusst an.
Bei dem Gespräch mit Harald Weinbrecht gab es allerdings überhaupt keine Ungereimtheiten.
»Erholung war das sicherlich nicht«, meinte er. »Eher der pure Stress. Einige tausend Kilometer und dann noch die schlechten Straßen dort auf dem Balkan. Zum Glück haben wir wenigstens unseren robusten Wagen und können uns beim Fahren abwechseln.«
Er berichtete von der Tätigkeit seiner Frau als Geschäftsführerin des Vereins, über das Not und Elend der Kinder, die in den Kriegen im früheren Jugoslawien ihre Eltern verloren hatten und stellte ausführlich die Hilfe für die Waisenhäuser in diesen Gebieten dar.
»Damit unsere Hilfsgelder dort nicht in den vielen Kanälen von Korruption und Misswirtschaft versickern, müssen wir oft mal kurzfristig nach dem Rechten sehen«, sagte Weinbrecht. »Im Moment bauen wir in einem Heim in Kroatien einen großen Erweiterungsbau, denn der Zustrom der Kinder zu unseren Häusern nimmt kaum ab. Aber gerade wenn gebaut wird, muss man doppelt aufpassen. Hier, schauen Sie doch mal, die Fotos haben wir jetzt mitgebracht.«
Er drehte auf seinem Schreibtisch den Computermonitor so, dass Lindt und Wellmann die digitalen Bilder der Baustelle gut sehen konnten.
»Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, so umfassend wie möglich zu informieren. Wer für die Kindernothilfe spendet, soll auch wissen, was mit seinem Geld passiert. Diese Bilder und die Berichte veröffentlicht meine Frau dann regelmäßig in der kleinen Zeitung, die der Verein herausgibt.«
Paul Wellmann nickte zustimmend: »Finde ich wirklich gut, wie Sie das machen. Ich habe schon oft etwas von Ihren Aktivitäten mitbekommen. Sie scheinen recht erfolgreich zu sein.«
»Die Transparenz, genau zu zeigen, was mit dem Geld gemacht wird, ist sicherlich auch ein Geheimnis unseres Erfolges.«
Er sah Lindts fragenden Blick.
»Ja, es ist schon unser Erfolg. Zwar ist meine Frau die Geschäftsführerin, sie macht die ganze Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit, aber ich bin auch mit dabei, so gut es meine Zeit erlaubt.«
»Darf man erfahren, in welcher Größenordung die Spendenbeträge liegen?« Lindt war neugierig geworden.
Weinbrecht griff nach der aktuellen Zeitung des Vereins, die auf dem Besprechungstisch lag. »Sehen Sie hier ...«
Auf der zweiten Seite waren die aktuellen Spenden aufgelistet. »Von klein bis ganz groß, wir führen jede Zahlung auf, allerdings ohne Nennung der Spendernamen. Da ...«, er zeigte auf mehrere sechsstellige Beträge, »diese hohen Summen stammen sogar aus Nachlässen, wo der Verein als Erbe eingesetzt war, oder ein Vermächtnis bekommen hat.«
Er lächelte: »Daran bin ich allerdings nicht ganz unschuldig, denn durch unseren Pflegedienst kommt man doch öfter ins Gespräch mit älteren Leuten, die sich Gedanken machen, was mit ihrem Vermögen später einmal Sinnvolles geschehen kann.«
»Was kommt, wenn du gehst, sozusagen«, brachte es Paul Wellmann auf den Punkt.
»Natürlich, ich habe da immer ein paar Broschüren der Kindernothilfe dabei und gerade in der letzten Zeit hatten wir einige Glücksfälle.«
»Wenn man dann sieht, wofür das Geld verwendet wird«, Lindt zeigte zu den Bildern auf dem Monitor, »fällt es den Leuten sicherlich um so leichter, etwas zu geben.«
»Es fehlt halt an allen Ecken und Enden«, berichtete Weinbrecht weiter. »Mehr und mehr Kinder kommen in unsere Häuser, in letzter Zeit natürlich hauptsächlich aus den Gebieten, wo es immer noch kriselt, Bosnien, Kosovo, Montenegro, Sie wissen es sicher. Die Bundeswehr ist dort ja auch eingesetzt. Nicht nur, dass Häuser fehlen, auch die bestehenden Gebäude sind oft in einem schlechten Zustand. Die Elektroinstallationen, die ganzen Sanitäreinrichtungen, also Duschen, Toiletten, die Küchen, ach, das kann man sich gar nicht vorstellen, wenn man es nicht mit eigenen Augen gesehen hat.«
Weinbrecht zeigte noch weitere, wirklich schockierende Bilder. »Zum Glück sieht es jetzt nicht mehr so aus. Da können Sie eine unserer neuen Großküchen sehen. Eine Spende übrigens von ›Küchen-Ball‹, hier aus Karlsruhe.«
Paul Wellmann erinnerte sich an die Vorstandsmitglieder der Kindernothilfe: »Sie haben ja wirklich namhafte Persönlichkeiten, die den Verein
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