Zuckerblut
verschiedenen Pflegestufen zuständig und je höher die Stufe, umso mehr Geld wird bezahlt.«
»Das könnte gut sein, allerdings meinte der angetrunkene Mann, die vom Pflegedienst hätten doch nur Geld im Kopf und wollten immer noch mehr verdienen – seine Mutter hätte es gut bei ihnen.«
»Also ich kann die Schwester wirklich verstehen. Wenn ihr die Wohnung und die Oma gesehen hättet ...«, fügte ein anderer der Beamten an, » ... da liegt einiges im Argen. Eine Pflegekraft, die ihren Beruf ernst nimmt und auf gute Qualität wert legt, wird solche Zustände nicht einfach hinnehmen. Eine alte Frau, die einmal in der Woche den angesammelten Dreck abgeschrubbt bekommt und sonst in einer fast fensterlosen Kammer dahinvegetieren muss – solche Verhältnisse konnte Schwester Andrea bestimmt nicht akzeptieren.«
»Sicherlich untragbar für eine engagierte Pflegekraft«, nickte Oskar Lindt. »Ganz klar, dass sie bemüht war, da etwas zu verändern, aber als Motiv für einen Mord ist mir das doch noch zu wenig.«
»Theoretisch wäre ein alkoholisierter Mann im Affekt aber durchaus in der Lage, seine Hände an den Hals der lästigen Krankenschwester zu legen, zumal, wenn sie droht, den Medizinischen Dienst zu informieren. Sicherlich waren dort auch Einmalhandschuhe deponiert, wegen der pflegebedürftigen Oma«, gab Jan Sternberg zu bedenken, der gleich wieder an die Einzelheiten der Tatausführung dachte.
»Tatspuren werden sich in der Wohnung aber bestimmt keine mehr finden«, konterte einer der Kollegen gleich und verwies auf den Dreck, der ihnen überall förmlich ins Auge gesprungen war.
»Handlung im Affekt und die Wohnung als Tatort wäre auch sehr unwahrscheinlich«, warf Oskar Lindt ein. »Die Tatzeit war am späten Abend und da wurde die alte Frau bestimmt nicht mehr von unserem Opfer gebadet. Es könnte höchstens sein, dass der Mann ihr gezielt aufgelauert hat.«
»Aber die Leiche ist doch irgendwie transportiert worden«, gab Paul Wellmann zu bedenken. »Hat die Familie bei ihrer desolaten finanziellen Lage denn überhaupt ein Auto?«
»Das müssten wir erst überprüfen, aber es gab ja noch einen zweiten Fall, wo die Angehörigen nicht so gut auf die Schwester zu sprechen waren und wo außerdem ein Todesfall vorliegt.«
»Bitte, macht weiter«, ermunterte Lindt die Kollegen.
»Da geht es um einen vierundachtzigjährigen Mann. Vom sozialen Umfeld her gerade das Gegenteil zu dem Fall, den wir eben beschrieben haben. Er lebte alleine in einem ganz ansehnlichen Haus in der Waldstadt, pensionierter Richter, bestimmt vermögend, aber kinderlos. Wir haben als einzigen Angehörigen einen Neffen ermittelt, auch Jurist, mit Rechtsanwaltskanzlei in Durlach. Viel konnte der uns nicht sagen. Er besuchte seinen Onkel ab und zu einmal und wusste, dass ein privater Pflegedienst täglich vorbeikam. Zum Verbinden der offenen Beine, das käme von ausgeprägten Krampfadern, wie der Neffe sagte.«
»Was hatte der Herr Anwalt dann an Andrea Helmholz zu kritisieren?«, interessierte sich Lindt und der spitze Ton seiner Bemerkung zeigte deutlich, was er im Allgemeinen von den Vertretern dieser Berufsgruppe hielt.
»Er kannte die Krankenschwester wohl nur von einer einmaligen kurzen Begegnung und hat sich auch eher darüber aufgeregt, dass bei den offenen Stellen an den Beinen seines Onkels nur sehr langsam eine Besserung eintrat. Der Pflegedienst wolle sich bestimmt langfristig einen lukrativen Privatpatienten erhalten, war sein Vorwurf. Es war nicht direkt etwas Persönliches gegen Schwester Andrea.«
Lindt bohrte nach: »Und der Richter, der ist jetzt tot?«
»Ja, wahrscheinlich Lungenembolie im Schlaf, hat uns der Neffe berichtet. Vermutlich habe sich an den Beinen ein Blutgerinnsel gelöst und dann in der Lunge festgesetzt. Die Putzfrau habe ihn am Morgen gefunden.«
Lindt strich sich über sein Kinn. »Hmm, hmm, scheint ja auch nichts Konkretes zu sein, woraus wir irgendein Mordmotiv in unserem Fall ableiten könnten.«
Die unterstützenden Kollegen fassten noch kurz die Aussagen Andrea Helmholz betreffend zusammen, die sie beim Aufsuchen der übrigen Patientenadressen erhalten hatten, doch mit Ausnahme der beiden näher geschilderten Fälle waren es überall nur lobende Worte über die Schwester und tiefstes Bedauern wegen ihres gewaltsamen Todes gewesen.
»Gut gemacht, der Rest ist jetzt unsere Arbeit«, bedankte sich Oskar Lindt bei den Kollegen, die seinem Team viel zeitraubende Lauferei von Tür zu
Weitere Kostenlose Bücher