Zuckerblut
unterstützen. Von Holdau meine ich mal was gehört zu haben, der hat doch diese Suppenfabrik bei Rastatt.«
»Dieses Wort hört der Herr Holdau natürlich nicht so gerne, ›Lebensmittelwerke‹ gefällt ihm da schon besser. Er ist unser Vorsitzender und so ein Mann zieht dann natürlich immer mehr bekannte und vermögende Personen mit. Manche wollen nicht öffentlich genannt werden, andere nutzen ihre Spenden dann wieder als PR für den eigenen Betrieb, so wie ›Küchen-Ball‹. Da gab es sogar vor kurzem einen zehnminütigen Fernsehbericht drüber, wie die Monteure mit drei Firmen-LKWs nach Kroatien gefahren sind und dort in unserem Heim alles aufgebaut haben.«
»Ja«, meinte Lindt, »wie heißt es doch so schön, ›Tue Gutes und rede darüber‹. Betriebswirtschaftlich ist es für die Firmen sicherlich auch interessant. Die ganzen Spenden können in der Bilanz geltend gemacht werden und mindern den Gewinn entsprechend. Also immer noch besser, als dem Staat viele Steuern zu zahlen. Das positive Image als Wohltäter ist dann ein willkommener Nebeneffekt.«
Hier wollte Weinbrecht offensichtlich nicht näher einsteigen und wechselte elegant das Thema: »Aber eigentlich sind Sie ja wegen Schwester Andrea gekommen.«
»Genau«, antwortete Lindt. »Zurück zu unserer Arbeit. Wann haben Sie, Herr Weinbrecht, ihre Mitarbeiterin denn zuletzt gesehen?«
Der Angesprochene überlegte kurz: »Das muss ..., ja bestimmt, das ist schon ein paar Tage her. Ich glaube, sie hatte zuletzt frei, um Überstunden abzubauen. Moment mal ...« Weinbrecht ging um seinen Schreibtisch herum und griff sich einen dicken Ordner aus dem Wandregal. ›Dienstpläne‹ konnten Lindt und Wellmann auf dem sauber gedruckten Rückenschild lesen.
Das ganze Büro von ›Pflegedienst Weinbrecht‹ machte ohnehin einen sehr professionellen und durchorganisierten Eindruck. Keine Papierstapel auf den Tischen und keine überquellenden Unerledigt-Fächer, wie es im Büro der Ermittlungsgruppe zuweilen vorkam. Lindt selbst tat sich mit Büroarbeit nicht gerade leicht und vor allem das Bearbeiten und Ablegen der Papierflut, die die Bürokratie des Polizeipräsidiums laufend ausspuckte, war nicht unbedingt seine Lieblingsbeschäftigung. Meistens schaffte er es aber dann doch, in regelmäßigem Turnus das Aktenchaos zu bekämpfen, besonders seit ihm Jan Sternberg und Paul Wellmann vor einiger Zeit ein kleines Keramikschild an die Wand gehängt hatten, das die Aufschrift trug: ›Nur kleine Geister halten Ordnung – ein Genie beherrscht das Chaos.‹ Diesen Wink mit dem Zaunpfahl hatte er sich damals umgehend zu Herzen genommen und zügig aufgeräumt.
Weinbrecht blätterte indes in dem Ordner und zeigte auf die Computerausdrucke: In den Dienstplänen war für jeden Mitarbeiter die tägliche Schicht und die zu fahrende Tour von Patient zu Patient genau aufgelistet. »Hier, der vierundzwanzigste Mai, Montag, das ist das Datum, an dem meine Frau und ich abends weggefahren sind. Wenn ich die Zeitungen richtig gelesen habe, ist die brutale Tat doch an diesem Tag geschehen?« Er schaute Lindt fragend an.
Der nickte zustimmend. »Irgendwann um Mitternacht, sagte uns die Gerichtsmedizin, erwürgt mit bloßen Händen.«
»Schrecklich«, schüttelte sich Weinbrecht, »ich könnte mir nicht vorstellen, wer so etwas Grausames zu Wege bringen sollte.«
Er blätterte weiter in den Unterlagen und schob den Ordner zu den beiden Kommissaren über den Tisch. »Da sehen Sie bitte: Seit Mittwoch der vorigen Woche, also dem ... Moment ..., neunzehnten Mai, ist sie mit Überstunden – Frei eingetragen. Am Donnerstag dieser Woche, also gestern, hätte sie wieder anfangen sollen zu arbeiten. In ihrer freien Zeit habe ich sogar einmal versucht, bei ihr anzurufen, ob sie vielleicht am Wochenende kurzfristig einspringen könnte, weil eine andere Kollegin erkrankt war. Ich konnte sie aber nicht erreichen und habe dann einen unserer Aushilfspfleger eingesetzt.«
»Wenn ich richtig verstanden habe«, fasste Lindt zusammen, »haben Sie ihre Mitarbeiterin also das letzte Mal vor diesen freien Tagen gesehen, später nicht mehr.«
Weinbrecht nickte und Lindt kratzte sich am Ohr, um zu überlegen, was er noch alles fragen wollte. »Ach ja, die persönlichen Lebensumstände Ihrer Mitarbeiterin sind für uns natürlich sehr wichtig. Wenn Andrea Helmholz schon über zehn Jahre bei Ihnen beschäftigt war, können Sie uns bestimmt darüber etwas erzählen.«
»Da muss ich Sie leider
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