Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin
stehen wie einen Schuhputzer.«
Er lachte, kam ins Haus und nahm seinen Hut ab, als er unser Hinterzimmer betrat. Dann fiel sein Blick auf Miau. Ich hatte ein altes Band um ihren Hals gebunden, und sie kullerte über den Boden und spielte mit dessen ausgefranstem Ende.
»Oh, habt Ihr es denn nicht gehört?«, rief er aus.
Ich blickte bestürzt zu Miau hinab, denn ich fürchtete, dass er sagen würde, sie gehöre einer wichtigen
Person, die auf der Suche nach ihr war. Ich hing inzwischen sehr an dem Kätzchen und hätte sie nur ungern wieder hergegeben.
»Was sollen wir gehört haben?«, fragte Sarah.
»Auf Befehl des Lord Mayors müssen alle Katzen und Hunde...«, sagte er und zögerte, »... müssen alle Katzen und Hunde getötet werden.«
Sarah und ich rangen beide nach Atem, und ich hob Miau auf der Stelle hoch und hielt sie gut fest.
»Wieso das denn?«, fragten wir beide gleichzeitig.
»Man glaubt, die Krankheit könnte von Katzen und Hunden übertragen werden, die von Haus zu Haus streunen. Doktor da Silva hält das nicht für möglich, aber ...«, sagte er und zuckte die Achseln, »das ist es, was die Behörden sagen. Es ziehen Karren herum, deren Fahrer zwei Pence für jeden Hund und jede Katze bekommen, die sie zu Tode prügeln und deren Kadaver sie abliefern.«
Ich schrie leise auf.
»Stimmt das auch wirklich, Tom?«, fragte Sarah. »Ihr würdet Euch doch keinen Scherz mit uns erlauben, oder?«
»Ganz gewiss nicht!«, sagte Tom. »Ich merke, wie sehr Ihr an dem kleinen Ding hängt.« Er streckte die Hand aus und streichelte Miaus weiches Fell. »Es ist noch nicht zu spät«, sagte er dann, »wenn Sie das Kätzchen drinnen behalten, wird niemand es sehen. Diese Männer haben nicht das Recht, in die Häuser einzudringen und die Tiere dort totzuschlagen - was manche von ihnen angesichts der ausgesetzten Belohnung allerdings bestimmt versuchen werden.«
»Dann müssen wir Miau eben im Haus behalten!«, sagte Sarah.
Ich nickte. »Ab sofort darf sie nicht einmal mehr in den Hinterhof.«
Sarah verzog das Gesicht etwas und rümpfte die Nase, denn sie war sehr darauf bedacht, dass unser Laden und unser Wohnraum immer sauber waren und gut rochen.
»Wir könnten sie ja an einem Stück Schnur festbinden und hinauslassen«, sagte ich, »und du oder ich müssten aufpassen, dass sie es nicht durchbeißt und wegläuft.« Ich hielt Miau auf Armeslänge von mir weg, und sie schien mich mit ihren großen runden Augen vorwurfsvoll anzusehen. »Es ist zu deinem eigenen Besten!«, sagte ich. »Und wenn die Welt wieder in Ordnung ist, darfst du auch wieder richtig rausgehen.«
Tom räusperte sich leicht. »Miss Hannah«, sagte er »ich bin gekommen, um zu fragen, ob Ihr vielleicht mit mir zum Veilchenpflücken gehen möchtet?«
Ich lächelte ihn an, erfreut und aufgeregt, dass er mich fragte.
»Wohin wollt Ihr denn gehen, um sie zu pflücken?«, wollte Sarah wissen.
»Nach Chelsea«, sagte Tom. »Doktor da Silva muss zurzeit sehr viele Mittel gegen die Pest zubereiten, und dafür braucht er einige Kräuter, die nur wild wachsen. Außerdem weiß ich, dass Sie eine Menge Veilchen verwenden, und dort am Ufer der Themse gibt es eine Stelle, die nur ich kenne.«
Ich sah Sarah an, die nickte und sagte: »Veilchen benötigen wir immer viele, das ist richtig! Und es ist in letzter Zeit immer schwieriger geworden, sie auf dem Markt zu bekommen. Und solltest du wilde Erdbeeren sehen, Hannah, oder Borretschblüten, bring mir davon bitte auch welche mit.« Und mit einem Blick auf Tom fügte sie hinzu: »Aber Master Tom muss natürlich den Vortritt bekommen.«
Tom lächelte. »Dort, wo wir hingehen, gibt es genügend«, sagte er, »ich kenne alle geheimen Stellen.« Er klopfte auf die Segeltuchtasche, die er über der Schulter trug. »Wenn wir zurückkommen, wird diese hier voll sein.«
Sarah fand einen Korb für mich und fragte mich leise, ob ich nicht lieber mein grünes Kleid gegen ein einfacheres austauschen wollte. Doch ich brachte sie mit einem Stirnrunzeln und einem Kopfschütteln zum Schweigen, und sie lächelte und ließ mich ziehen.
Chelsea war etwa fünf Meilen entfernt, doch als wir erst einmal das Gedränge in London hinter uns gelassen hatten, war es ein schöner Spaziergang, und wir brauchten nur etwas über eine Stunde, um zu der Wiese zu gelangen, von der Tom gesprochen hatte. Wir redeten die ganze Zeit über. Tom erzählte mir von Doktor da Silva und sagte, dass er ein kluger Mann sei und seinen
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