Zuckermacher 01 - Die Schwester der Zuckermacherin
falsche Worte des Lobes wegen seiner Fürsorge für sie hinzu.
»War ein Doktor bei ihnen?«, fragte ich, da ich, wenn ich sonst schon nichts tun konnte, wenigstens losgehen und Doktor da Silva holen wollte, um zu sehen, ob er etwas unternehmen könne.
Der Mann lächelte ein betrunkenes, schiefes Lächeln. »Die hier machen mir überhaupt kein' Ärger. Mucksmäuschenstill sind sie.«
»Aber wir wollen wissen, ob es ihnen gut geht!«, sagte Sarah. »Wann habt Ihr sie zuletzt gesehen?«
»Könnt Ihr sie fragen, wie es ihnen geht?«, ergänzte ich. »Können wir nachschauen, ob sie etwas brauchen?«
Der Mann beugte sich zur Seite, griff nach seiner blitzenden Hellebarde und wedelte uns damit vor dem Gesicht herum. »Ich bin dazu da, das Haus zu bewachen. Hier kann niemand rein!«
»Aber Ihr könnt doch reingehen, oder?«, sagte ich. »Ihr könnt nachsehen, wie es ihnen geht.«
Er sah uns misstrauisch an. »Gehört Ihr zur Familie?«
Beinahe hätte ich nein gesagt, aber Sarah unterbrach mich und sagte ja, sie seien unsere geliebten Cousins, und wir wären völlig verzweifelt, weil wir keine Ahnung hätten, wie es ihnen geht.
»Wir hatten schon gehofft, dass solch ein freundlicher und vernünftiger Mann wie Ihr für sie sorgen würde«, fügte ich hinzu, denn ich hatte erkannt, dass Schmeicheleien vielleicht der einzige Weg waren, ihn zu etwas zu bewegen. »Könnt Ihr uns sagen, wie es ihnen geht?«
Jetzt grinste der Mann, zog einen Schlüsselbund heraus und machte sich daran, die zwei Vorhängeschlösser zu öffnen, die die Ketten zusammenhielten, welche quer über die Türöffnung genagelt waren. Er drückte die Tür auf, hinter der sich nichts als Dunkelheit und Stille verbarg.
»Wie is es?«, brüllte der Wächter in den Flur. »Braucht ihr was ?«
Sarah und ich hielten uns aneinander fest und warfen einen Blick in den Hausflur, aus dem kein bisschen Licht durch die Dunkelheit drang. Dann wogte die Luft des gerade geöffneten Hauses und mit ihr ein derart widerlicher Gestank auf uns zu, dass wir unwillkürlich ein paar Schritte zurückwichen.
»Ich habe die starke Befürchtung, dass da etwas nicht stimmt«, flüsterte Sarah mir zu und rang sich dann durch zu rufen: »Hallo, Mrs.Williams! Braucht Ihr etwas ?«
Es kam keine Antwort.
Wir warfen uns einen angsterfüllten Blick zu. Mir war von dem Geruch so übel, dass ich nicht den Mut gehabt hätte, ins Haus zu gehen.
»Geht Ihr hinein?«, fragte Sarah den Wachposten.
»Ich? Ganz bestimmt nicht!«, sagte er. »Ich werde nicht dafür bezahlt, in Leichenhäuser zu gehen.«
»Und du darfst auch nicht reingehen«, sagte ich und klammerte mich an Sarahs Arm.
Hinter uns stand Mrs. Groat und versuchte ebenfalls, einen Blick in das unheimliche dunkle Haus zu werfen.
»Am besten sperre ich sie jetzt wieder ein«, sagte der Wachposten; doch in diesem Moment ertönte drinnen ein gewaltiger Lärm. Wir schrien alle vor Schreck auf, und im nächsten Augenblick sprang oder vielmehr purzelte ein kleines blasses Wesen die Treppenstufen hinunter und schossan uns vorbei auf die Straße. Es rannte über das Kopfsteinpflaster, als sei der Teufel höchstpersönlich hinter ihm her.
»Ein Leichenfledderer!«, rief Mrs. Groat, fiel auf die Knie und fing an zu beten.
»Nein, das war der kleine Dickon!«, sagte ich und starrte dem Jungen ungläubig hinterher.
»Splitternackt rennt er um sein Leben«, sagte Sarah.
Ich sah ihm nach und wollte mich schon umdrehen, um ihm hinterherzurennen, aber Sarah wusste, was ich vorhatte, und hielt mich fest. »Das darfst du nicht tun«, sagte sie, »er hat bestimmt die Pest auf der Haut.«
»Aber wer soll sich denn um ihn kümmern?«
»Wir können es jedenfalls nicht tun! Wenn du ihn einholst, bedeutet das den sicheren Tod für uns beide.«
Als wir uns wieder umdrehten, stand der Wächter in der Türöffnung. Er zögerte immer noch hineinzugehen, schnüffelte und rümpfte angewidert die Nase. »Ich rieche den Tod!«, sagte er.
»Ihr müsst hineingehen und nachsehen«, drängte ihn Sarah. »Wir können das Haus jetzt nicht zusperren. Ihr müsst hineingehen und nachsehen, wer tot ist.«
Nach einiger Überzeugungsarbeit - und nachdem ihm Sarah ein paar kleine Münzen überreicht hatte -ging er hinein und kam wenige Augenblicke später wieder. Er berichtete uns, dass zwei tote Kinder in einem Bett im oberen Stockwerk seien und die Mutter tot neben dem Küchentisch liege.
Als sich diese Nachricht verbreitete, kam eine kleine
Weitere Kostenlose Bücher