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Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hassenmüller
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Jahren es verstehen würde.
    Nach einigen Wochen wurde Hubert hellhörig. “Du mußt ja anscheinend enorm viel für dein Studium tun? Hast du dich nicht doch übernommen, wenn du stundenlang dafür schreiben mußt?” Sie fand, es war an der Zeit, die Wahrheit zu sagen. Obwohl es ihr beinahe nicht über die Lippen ging. “Ich schreibe ein Buch”, sagte sie. Nicht mehr und nicht weniger. Hubert sah sie an. “Was tust du?”

“Ich schreibe ein Buch.” Er sah sie an, wartete auf weitere Erklärungen. Zu absurd war das, was sie da von sich gab. So eine Erklärung konnte sie nicht allein im Raum stehen lassen, mager, zittrig. Sie fügte hinzu: “Wie es den deutschen Kindern hier geht, die Deutschfeindlichkeit, die vielen kleinen Ungerechtigkeiten.” — “Oh, ja”, sagte er und fügte dann noch erschreckend gleichgültig hinzu: “Wenn es dir Spaß macht!”
    Wenn es dir Spaß macht! Machte es ihr Spaß? Nein, oder vielmehr doch, sie fühlte eine seltsame Befriedigung, wenn sie gebeugt am Tisch saß und schrieb, bis ihr die Hand weh tat. Nur daran merkte sie, wie die Zeit verflog.
    “Willst du einmal etwas lesen?” fragte sie Hubert einen Monat später.
    “Du mußt Kontakt zu deinem Mann herstellen”, hatte Jaap ihr geraten. “Du kannst nicht erwarten, daß er deine Wünsche errät. Jahrelang hast du ihm nicht gesagt, was du möchtest. Er ist doch kein Hellseher. Frage ihn, wenn du etwas von ihm willst.” Es fiel ihr schwer, aber sie tat es. Sie wollte Kontakt mit Hubert. Richtigen, menschlichen Kontakt.
    “Willst du etwas lesen?” — “Wovon etwas lesen?” Er sah sie über den Wirtschaftsteil seiner Zeitung hinweg fragend an.
    “Von meinem Manuskript.” Wie das klang. Manuskript. Ein kostbares Wort. Durfte sie es für ihr Geschriebenes überhaupt gebrauchen? — Doch die ersten Beurteilungen ihres Studienleiters waren überwältigend gewesen. Er lobte sie, bezweifelte, daß sie nicht schon eher etwas geschrieben hatte. Also Mut! Manuskript, ja von ihrem Manuskript.
    “Von meinem Manuskript.”
    “Von deinem Manuskript.” Er sah sie an, als betrachte er ein ihm vollkommen fremdes Wesen. Vielleicht habe ich auf einmal grüne Haare, dachte sie und ein Auge auf der Stirn. Und abstehende Ohren oder sonst etwas Kurioses. Dann erschien sein verbindliches Lächeln. Ein Lächeln, das er anknipsen konnte wie eine Nachttischlampe. Ein Lächeln, das er zur Verfügung hatte für jedermann. “Natürlich, gerne”, sagte er bereitwillig. “Lege es schon einmal auf den Tisch.” Besprechung geschlossen. Sein Kopf verschwand wieder hinter der Zeitung. Sie legte die ersten zwanzig Seiten auf den angewiesenen Platz und flüchtete beinahe aus dem Zimmer. Sie fühlte sich so kindlich, wieder so verletzlich. Ein Gefühl, das sie fast nicht ertragen konnte. Wenn sie verletzlich war, hatte das für sie immer schlimme Folgen gehabt. Dies ist etwas anderes, sprach sie sich selbst beruhigend zu. Ich bin kein Kind mehr. Ich kann selbst entscheiden, was ich tue. Doch die Tatsache, daß sie wie ein kleines Kind auf Lob wartete, um Anerkennung bettelte, blieb bestehen. Das war es, was sie hören wollte: Lob und Anerkennung. Nicht um ihr Äußeres, nicht wie gut das Essen geschmeckt hatte und nicht, wie sauber die Socken waren. Sondern Lob und Anerkennung für etwas, das sie geschaffen hatte. Wie gut sie etwas formuliert, wie treffend sie eine Situation beschrieben hatte. Die Schublade voll mit Zweifeln und Unsicherheiten sprang schon wieder auf, und die Stimmen, die sie auslachten, waren nicht mehr zu überhören.
    “Es ist interessant geschrieben”, sagte Hubert vor dem Schlafengehen, “aber” — er sah sie mitleidig an — “meinst du tatsächlich, daß das irgend jemand interessiert?”
    Gaby wurde wütend. So richtig wütend von innen heraus. Was bildete er sich eigentlich ein? Sie brauchte sein Mitleid nicht! Sie war kein dummes Frauchen, das irgendwelchen Hirngespinsten nachhing. “Warum sollten sich nicht Kinder dafür interessieren? Vierzig Jahre nach dem Krieg werden in Holland deutsche Kinder immer noch diskriminiert. Und in Deutschland diskriminieren deutsche Kinder die Kinder der Gastarbeiter. Warum sollte man nicht darüber schreiben?”
    “ ‘Man’ ” vielleicht — aber du?” Gaby holte tief Luft, doch bevor sie etwas darauf antworten konnte, fuhr er schon ganz freundlich fort: “Ich meine nur, es wird für dich sehr schwierig sein, einen Herausgeber zu finden. Dich kennt niemand.” Ja, er

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