Zuflucht Im Kloster
niederzuschlagen und auszurauben!
Der Schlosser, der für seine Verhältnisse früh aufgestanden war, hörte sie Wasser aus dem Brunnen schöpfen und trat aus der Hintertür seines Hauses in den Garten, um ihr einen guten Morgen zu wünschen. Rannilt glaubte kaum, daß er sich diese Mühe gemacht hätte, wenn er gewußt hätte, daß es nur die Magd war, die er gehört hatte. Der Familie seines Hauswirts gegenüber war er immer sehr aufmerksam und versäumte es nie, die Höflichkeiten zu entbieten, die unter Nachbarn üblich sind, aber von Rannilt nahm er nur selten Notiz. Auch an diesem schönen Morgen verweilte er nicht länger auf dem Hof, sondern tat nur ein paar Schritte und verschwand dann wieder in seiner Tür. Auf der Schwelle blieb er einen Augenblick lang stehen und begutachtete die Vorbereitungen, die im Haus des Goldschmieds getroffen wurden: den großen Haufen schmutziger Wäsche und das geschäftige Treiben, das den Waschtag ankündigte.
Mit Leintüchern auf dem Arm kam Susanna auf den Hof und ging, wortkarg wie immer, mit ihrer gewohnten Tüchtigkeit ans Werk. Daniel aß sein Frühstück und begab sich in die Werkstatt, und Margery blieb allein und unentschlossen in der Halle zurück. Zu viel war in ihrer Hochzeitsnacht geschehen – sie hatte noch keine Zeit gehabt, sich an das Haus und den Haushalt zu gewöhnen oder über die Stellung, die ihr darin zukam, nachzudenken. Überall, wo sie sich nützlich machen wollte, war Susanna schon vor ihr gewesen. Walter lag noch im Bett und pflegte seinen schmerzenden Kopf und Frau Juliana war auf ihrem Zimmer geblieben, aber Margery war zu spät aufgestanden, um den beiden etwas zu essen und zu trinken zu bringen; das hatte Susanna bereits getan. Um das Kochen brauchte man sich jetzt noch nicht zu kümmern, und obendrein hingen die Schlüssel zur Vorratskammer an Susannas Gürtel.
Margery wandte sich dem einzigen Raum zu, über den sie meinte verfügen zu dürfen, und machte sich daran, Daniels Junggesellenzimmer ihrem Geschmack entsprechend umzustellen und die Truhe und den Schrank auszuräumen, um so Platz zu schaffen für ihre Kleider und Leinenwäsche. Dabei stieß sie auf einiges, das die Gerüchte über Frau Julianas Geiz bestätigte. Da waren beispielsweise Kleidungsstücke, die Daniel gehört haben mußten, als er noch ein Jüngling gewesen war, und die er gewiß nie mehr würde tragen können. Sie waren immer wieder ordentlich geflickt worden, damit sie so lange wie möglich hielten, und selbst als sie ihm schließlich nicht mehr paßten, waren sie säuberlich zusammengefaltet und aufgehoben worden. Nun, jetzt war sie Daniels Frau und konnte zumindest in diesem Zimmer schalten und walten und mit diesen nutzlosen Erinnerungen an die Vergangenheit, die ja nur ein Ausdruck außergewöhnlichen Geizes waren, verfahren, wie sie wollte. Heute noch mochte dieser Haushalt in seinen hergebrachten Bahnen laufen, als habe sie hier nichts zu sagen, aber das würde nicht immer so bleiben. Sie hatte keine Eile und mußte noch eine Menge bedenken, bevor sie handelte.
Rannilt kniete im Hof und schrubbte und scheuerte die Wäsche. Ihre Hände waren gerötet von der Lauge. Gegen neun Uhr war sie fertig: Das letzte Wäschestück war ausgewrungen, zusammengefaltet und lag in dem großen Weidenkorb, den Susanna aufhob und durch den Garten, durch die Tür in der Stadtmauer zum Fluß hinunter trug, um dort die Wäsche auf Büschen und im Gras zum Trocknen auszulegen. Rannilt ließ das Wasser aus dem Trog, wischte den Boden auf und ging in die Küche, um nach dem Feuer zu sehen und das Pökelfleisch für das Mittagessen aufzusetzen.
Hier, wo sie allein war, überfiel sie ihr Jammer um Liliwin plötzlich so sehr, daß die Tränen aus ihren Augen in den Kochtopf fielen, und nachdem sie einmal angefangen hatte zu weinen, konnte sie nicht mehr aufhören. Blind tastete sie in der Küche umher und vergoß hilflose Tränen um den ersten Mann, den sie liebhatte, den ersten, der auch sie liebhatte.
Sie war so hingegeben an ihr Leid, daß sie ihre Herrin nicht kommen hörte. Susanna blieb stumm in der Tür stehen und sah Rannilts tastende Hände und ihre halbblinden Augen, aus denen Tränen quollen.
»Um Gottes willen, Kind, was hast du denn nun schon wieder?«
Erschrocken und schuldbewußt fuhr Rannilt herum und stammelte, es sei nichts, es tue ihr leid, sie komme mit ihrer Arbeit gut voran… Susanna schnitt ihr das Wort ab:
»Du hast wohl etwas! Ich bin es leid, dich ständig
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