Zug um Zug
nämlich die jeweiligen Sparkassenverbände, eine sehr große Rolle spielen, dass denen aber der Überblick und das Urteilsvermögen fehlen; sie haben sich als ziemlich kleinlich und ohne ausreichende Urteilskraft erwiesen. Der andere Faktor ist der Größenwahn fast aller Ministerpräsidenten, die sich einbildeten, mit Hilfe ihrer Landesbank Industriepolitik machen zu sollen. Und die in Wirklichkeit gleichzeitig lokale Vorteile befördern konnten und – dick unterstrichen – gleichzeitig Personalpolitik betreiben konnten. Das ist ein Versagen der gesamten politischen Klasse in Deutschland und hat fast nichts damit zu tun, ob der Ministerpräsident dieser oder jener Partei angehört hat, sie alle haben denselben Dreck am Stecken.
Steinbrück: Den Schuh werde ich mir wohl anziehen müssen als ehemaliges Mitglied der nordrhein-westfälischen Landesregierung mit ihrem Einfluss auf die WestLB. Ich setze aber auch dagegen. Die Rolle der WestLB ist natürlich in dem schmerzhaften industriell-technischen Wandel des Ruhrgebietes ein ganz wichtiges Instrument der Landespolitik gewesen. Und, machen wir uns nichts vor, diese Neuaufstellung eines der ältesten und traditionsreichsten Industriegebiete nicht nur in Deutschland wäre ohne das Instrument einer solchen Landesbank so glimpflich auch nicht ausgegangen. Das heißt, bis zu einem gewissen Grad nehme ich diese Funktion der WestLB in enger Abstimmung mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung in Schutz.
Schmidt: Gilt das auch noch für das 21. Jahrhundert?
Steinbrück: Ich gebe zu, dass sich das spätestens ab Mitte der neunziger Jahre änderte, als die Finanzindustrie immer weiter ausartete in der Erfindung neuer Finanzprodukte und komplizierter Anlagestrategien, die mit Finanzdienstleistungen für die Realökonomie und die Bürger von NRW nichts mehr zu tun hatten. Und als dann die Brüsseler Kommission den Landesbanken zwei eminente Vorteile wegnahm, nämlich die beiden Staatsgarantien Anstaltslast und Gewährträgerhaftung, brach das Geschäftsmodell von einigen Landesbanken Mitte des ersten Jahrzehnts, ziemlich genau Mitte 2005, zusammen. Und aus der Zeit resultieren die Kalamitäten der Landesbanken. Abschließend: Ja, alle Landesregierungen waren daran interessiert, einen eigenen Finanzplatz zu haben, Stuttgart, München, Düsseldorf, und sie waren nicht bereit, zu lernen und zu akzeptieren, dass die Zeiten vorbei sind, wo sie mit einer Landesbank einen eigenen Finanzplatz in ihren Landeshauptstädten halten konnten.
Schmidt: Es kommt hinzu, dass in die Vorstände und Aufsichtsräte dieser Landesbanken zum Teil keine fachlich zureichenden und charakterlich einwandfreien Personen berufen wurden. Ich muss Ihnen eine Geschichte erzählen. Ich weiß nicht, ob es achtzehn oder sechzehn Jahre zurückliegt, da war in Berlin eine Fusion zustande gebracht worden zwischen einer Landesbank, der Berliner Bank und einer Hypothekenbank, wenn ich das richtig erinnere. Und das fusionierte Gebilde nannte sich Bankgesellschaft Berlin oder so ähnlich. Und die machte eine erste große Kundenveranstaltung; weil ein entsprechender Saal in Berlin nicht zu finden war, gingen sie nach Babelsberg in eines der großen UFA-Studios und engagierten den Privatmann Schmidt als Festredner. Der ging auch da hin, hielt denen eine schöne Rede, und abends saß man zusammen mit diesen Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern, vielleicht sechs oder acht Personen, an einem Tisch. Am nächsten Morgen sagte ich zu Loki, meiner Frau: Das ist vielleicht ein Scheißladen. Wirklich so. Und ich hatte tatsächlich recht. Ich habe damals diesen Schluss nur gezogen aus dem Unterhaltungsstoff der Herren an demselben Tisch. Ein paar Jahre später stellte sich wirklich raus, auch vor Gericht, dass es ein mieser Laden war. Wie hat der Mann noch geheißen? Ich komme nicht auf seinen Namen –
Steinbrück: Landowsky –
Schmidt: Ja, Landowsky war einer der Namen an diesem Tisch.
Steinbrück: Nun, heute haben wir das Problem, dass wir diesen Landesbankensektor nicht mehr fusionieren können. Warum? Weil keine Landesbank sich mehr mit einer anderen verheiraten will nach dem Motto: Die Mitgift, die die mitbringen, bringt uns um. Deshalb heißt es ja auch Mitgift, und deshalb kommt es nicht zur Konsolidierung. Das Ergebnis ist, dass die WestLB, früher die größte Landesbank, letztlich geordnet abgewickelt wird. Die konnte noch Ende der neunziger Jahre vor Kraft nicht
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