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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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Abhängigkeiten führen.
    Als die Chinesen auf dem Höhepunkt der US-Immobilienkrise im Herbst 2008 offenbar zum ersten Mal ihr Engagement bei den beiden großen Hypothekenfinanzierern Freddie Mac und Fannie Mae überprüften und sich mit der Möglichkeit beschäftigten, ihre Anteile zu reduzieren, geriet das politische Washington in helle Aufregung. Das Gleiche drückt der jüngste Besuch des US-Vizepräsidenten Biden in China aus.
    Schmidt:   Die amerikanische Staatsverschuldung gegenüber ausländischen Gläubigern gibt in der Tat Anlass zur Besorgnis. Besonders bedrohlich ist der Umstand, dass die amerikanische Gesellschaft eigentlich seit dem Ende der Administration Clinton, also seit weit mehr als zehn Jahren, sich daran gewöhnt hat, ihr laufendes Sozialprodukt zu etwa fünf Prozent durch ausländische Kapitalzufuhr zu finanzieren. Das scheint mir eine noch ernstere Gefährdung zu sein als die Gesamtverschuldung gegenüber dem Ausland. Die Tatsache, dass die Administration Clinton in der Lage gewesen ist, eine ähnliche Situation innerhalb von zwei mal vier Jahren in Ordnung zu bringen, spricht dafür, anzunehmen, dass die Amerikaner nach wie vor zu einer solchen Kraftanstrengung fähig sind. Aber der Wille ist nicht da.
    Steinbrück:   Es war die große Leistung der zweiten Amtszeit Clintons mit dem damaligen Finanzminister Robert Rubin, das laufende Budgetdefizit auf null zu bringen – sogar einen Überschuss auszuweisen – und gleichzeitig Impulse zu geben. Eine Doppelstrategie, die mir als Finanzminister zum Vorbild diente. Im Augenblick kann ich jedoch nicht erkennen, dass die Amerikaner den, wie Sie sagen, politischen Willen haben, dies zu wiederholen.
    Schmidt:   Was die Abhängigkeit der USA von China angeht, bin ich gelassener als Sie. Die Abhängigkeit ist, wenn Sie so wollen, eine gegenseitige, jedenfalls hat China zurzeit nicht das geringste Interesse an einer ökonomischen Schwächung Amerikas. Die chinesische Politik seit der Öffnung des Landes unter Deng Xiaoping zu Beginn der achtziger Jahre war mit wenigen Ausnahmen, die eher die Regel bestätigen, außerordentlich vorsichtig, sowohl gegenüber Amerika als auch gegenüber der Sowjetunion und später gegenüber Russland. Trotzdem kann man nicht ausschließen, dass irgendjemand in Peking auf die Idee kommt, dass die Anhäufung von Dollarguthaben bei der People’s Bank of China nicht im Interesse der chinesischen Massen liege, und das führt dann zu der Frage: Was machen wir mit den Dollars? Das muss nicht zu aggressiven Konsequenzen führen, es kann durchaus aber zu expansiven Aktivitäten führen. Solche Aktivitäten erkennen wir schon heute; wenn die Chinesen in Pakistan sich einen großen Hafen bauen, wenn sie sich in Zentralasien, in Schwarzafrika, in Lateinamerika auf privatwirtschaftliche Weise Zugang zu künftigen Rohstoffquellen verschaffen, dann werden dafür natürlich Dollar eingesetzt. Die chinesischen Währungsreserven belaufen sich gegenwärtig auf über 3 Billionen Dollar, davon ist der größte Teil in amerikanischen Staatsanleihen angelegt. Da kann man sich manches vorstellen.
    Steinbrück:   Ich glaube zwar auch, dass es sich um eine symbiotische Beziehung handelt, schon deshalb, weil die Chinesen ein sehr exportgetriebenes Wachstumsmodell haben und deshalb an dem enormen amerikanischen Markt interessiert sind. Andererseits sehe ich aber die chinesische Aufrüstung, die Bestrebungen Pekings, wieder eine maritime Macht zu werden. Die chinesische Außenpolitik halte ich keineswegs für völlig frei von expansiven Zügen. Ich sehe, wie die Chinesen Rohstoffe, über die sie selber verfügen, politisch einsetzen. So haben sie die seltenen Erden, die sie nach Japan exportieren, zum Anlass genommen, Gebietsstreitigkeiten im ostchinesischen Meer zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Ich höre, dass sich schwer zu identifizierende Kräfte an der Spionage im Cyberspace beteiligen und Internet-Attacken zumindest dulden, nicht nur gegen große Unternehmen, sondern auch gegen staatliche Einrichtungen. Und ich sehe, dass die Chinesen ihre außenpolitischen Beziehungen, etwa zu Ländern wie dem Iran, mit einem klaren Blick auf Rohstoffinteressen ausrichten. Ich bin inzwischen nicht mehr ganz so überzeugt, dass das alles defensiv orientiert ist, sondern sehe insbesondere auch mit Blick auf den Militäretat der Chinesen zunehmend eine aggressive Komponente.
    Schmidt:   Einstweilen ist die militärische Schlagkraft der Chinesen

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