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Zug um Zug

Zug um Zug

Titel: Zug um Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Schmidt / Peer Steinbrück
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Lösung hält, öffentlich hörbar und lesbar zu machen, das ist in Ordnung. Diesen heutigen Fischer kann ich als Kollegen – oder wie man das immer nennen will – akzeptieren, das heißt aber nicht, dass ich seine früheren Fehler nachträglich mit Gnade vergessen machen kann.
    Steinbrück:   Würden Sie den Grünen die gleiche Lernfähigkeit attestieren wie ihrem einstigen Spitzenmann?
    Schmidt:   Ursprünglich, in den siebziger Jahren, ist eine der wichtigsten Wurzeln der heutigen Grünen das Aufbegehren der Studentengeneration gegen die vorgefundene Gesellschaftsordnung, gegen die vorgefundenen Autoritäten der damaligen Zeit gewesen. Eine ganz andere Wurzel war der idealistisch geprägte quasimarxistische Kommunismus in den Köpfen junger Intellektueller. Eine dritte Wurzel war das um sich greifende Engagement zugunsten der Erhaltung der natürlichen Umwelt. (In dem Sinne übrigens waren meine Frau und ich Grüne, ehe es sie gegeben hat. Wir haben uns immer um die Umwelt gekümmert, haben auch unser eigenes Geld dafür hergegeben in einem für unsere Verhältnisse erheblichen Umfang.) Die heutigen Grünen haben große Schwierigkeiten gehabt, aus diesen verschiedenen Wurzeln zusammenzuwachsen; das eigentlich Gemeinsame war der Protest.
    Im Laufe von Jahrzehnten hat sich dann eine Partei herausgebildet, die gezeigt hat, dass sie bereit ist, Verantwortung zu übernehmen. Es ist allerdings ein Irrtum, zu glauben, die Regierungsfähigkeit der Grünen sei in der Koalition unter Gerhard Schröder zum ersten Mal wirklich geprüft worden. Wirklich geprüft wird sie jetzt in dem kleinen Land Baden-Württemberg, wo es die Grünen mit einem ganz dicken Problem zu tun kriegen, nämlich dass der Protest gegen den neuen Stuttgarter Bahnhof massiv ist, von der Landesregierung aber nichts mehr geändert werden kann, jedenfalls nicht ohne Zustimmung des Bundes und der Bundesinstanzen und der Deutschen Bahn.
    Steinbrück:   Ich habe mal den Satz gelernt: Es kommt in der Politik nicht auf das Gutgemeinte an, sondern auf das Gutgemachte.
    Schmidt:   Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Politik heißt auch verwalten können. Politik besteht nicht nur aus Regieren, insbesondere Kommunalpolitik ist im Wesentlichen Verwaltung. Dazu muss man die Gesetze kennen, nicht nur die Haushaltsgesetze, aber die ganz besonders. Es genügt nicht die gute Gesinnung, man muss auch wirklich etwas können. Das lernen die Grünen jetzt. Noch haben sie den Test nicht bestanden, aber man kann nicht ausschließen, dass wir irgendwann einmal einen grünen Bundeskanzler kriegen. Ich halte das nicht für erstrebenswert, ich würde aber einen Fehler machen, wenn ich es nicht für möglich hielte. Und dann wird sich zeigen, ob er verwalten kann und ob er die verschiedenen Felder beherrscht, ob er Sozialpolitik beherrscht, ob er Finanzpolitik beherrscht, ob er Forschungspolitik beherrscht. Alles das lernt diese Partei langsam. Die Sozialdemokraten haben das inzwischen weitgehend gelernt, die CDU hatte einen kleinen Vorsprung. Die FDP hat es eigentlich nie gelernt, sie hat ihre Ansätze – ich habe vorhin ein paar Namen genannt – leider verloren. Eine Ausnahme war Hans-Dietrich Genscher. Der konnte nicht nur regieren, der konnte auch verwalten, der konnte auch eine Behörde leiten – eine riesenhafte Behörde mit Botschaften in Brasilia und Djakarta, in Moskau und Washington, bei den United Nations und in Peking. Er konnte das. Der jetzige – kann es offensichtlich nicht.
    Steinbrück:   Als Westerwelle von Frank-Walter Steinmeier das Amt des Außenministers übernahm, wurde auf der Veranstaltung im Auswärtigen Amt ein Foto gemacht, das mir lebhaft in Erinnerung geblieben ist. Die Körperhaltung von Westerwelle brachte auf entlarvende Weise zum Ausdruck, dass er endlich in dem Amt angekommen war, das er sich seit langem ersehnt hatte.
    Schmidt:   Es ist eines der großen Probleme der parlamentarischen Demokratie, dass man Leute zum Minister machen muss, von denen man bisher nur weiß, dass sie im Parlament ein paar gute Reden gehalten haben. Von denen man aber überhaupt nicht weiß, ob sie eine große Organisation leiten können, ob sie eine Armee geistig führen können, ob sie ein Fingerspitzengefühl haben für den Arbeitsmarkt mit den beiden großen Parteien, Arbeitgebern und Gewerkschaften. Alles das sind Dinge, die man nicht weiß, wenn man einen Mann, der bisher nur Opposition im Parlament gespielt hat, zum Minister macht. Das

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