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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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und die Finger krallten sich fester in das Kissen.
    Als sie hörte, daß Schreibert sich vom Bett erhob und auf sie zukam, zog sie die Schultern hoch, als fröre sie.
    Schreibert steckte den Schlüssel in das Schloß, aber er schloß die Tür nicht auf. Er legte die Hand auf Corinnas Kopf, und sie fuhr zurück, als habe er sie verbrannt.
    »Wenn ich dein Gesicht gesehen habe«, sagte er leise, »und du meinst, weglaufen zu müssen – du kannst gehen. Ich öffne die Tür … aber ich weiß, daß ich dich wieder zurückholen werde. Mein Gott, ich liebe dich doch!«
    Corinna rührte sich nicht. Es war, als könne sie durch das Kissen blicken und sehe ihn jetzt mit Augen an, in denen alle Panik eines Menschen gesammelt war.
    »Bitte«, sagte Schreibert noch einmal, fast flehend.
    Er wartete eine Minute. Stumm standen sie sich gegenüber, und er war versucht, über ihre zitternden Brüste zu streicheln und sie auf seine Arme zu nehmen und zurück zum Bett zu tragen, das Licht zu löschen und die Nacht so zu verbringen, wie die vergangenen Nächte gewesen waren. Warum muß ich ihr Gesicht sehen, dachte er auf einmal. Ihr Körper ist eine ganze Welt für sich … Sagte sie nicht einmal: Unser Leben ist nur noch Leib geworden? Wie recht hatte sie.
    Aber nach dieser Minute des Nachgebens stieß Schreibert wieder gegen seinen unsichtbaren Panzer, der ihn umgab. Er konnte nicht mehr ausbrechen. Es mußte jetzt sofort eine Entscheidung geben.
    Mit beiden Händen griff er an das Kissen und riß es nach unten. Corinna schien das erwartet zu haben; sie stieß einen dumpfen Schrei aus, ihr Kopf fuhr nach unten, und gleichzeitig trat sie nach Schreibert, traf ihn am rechten Schienbein, aber da ihre Füße nackt waren, klatschte es mehr, als daß es weh tat. Doch dann versuchte sie, mit dem Knie gegen Schreiberts Unterleib zu stoßen, eine gemeine Abwehr, die einen Mann völlig kampfunfähig macht, doch sie traf ihn nicht, stieß gegen seinen Oberschenkel und krümmte sich zusammen, als Schreibert rücksichtslos Zugriff und ihre Arme herunterdrückte.
    Keuchend rangen sie miteinander. Sie fiel vor der Tür auf den Boden, wälzte sich herum, krümmte sich wie ein angequetschter Wurm, und immer hielt sie das Kissen vor das Gesicht gepreßt und konnte sich nur wehren mit ihren Beinen.
    Schreibert kniete neben ihr. Er wartete auf einen günstigen Moment, warf sich dann auf ihre herumschlagenden Beine, preßte ihren zuckenden Körper mit dem Gewicht seines Leibes auf den Boden, und nun, da sie wehrlos war, war es ein leichtes, ihre Arme herunterzuziehen und das Gesicht freizulegen.
    »Nein!« schrie sie hell. »Nein! Nein!«
    Sie lag still, als Schreibert mit roher Gewalt an ihren Handgelenken riß und das Kissen von ihrem Gesicht schleuderte. Es war eine Sekunde der Lähmung, der totalen Niederlage … die Sekunde, in der es keine Corinna Colman mehr gab.
    Schreibert saß auf ihrem nackten, schweißüberzogenen Leib und starrte sie an.
    Er begriff es nicht. Er glaubte nicht, was er sah.
    Er schloß die Augen, öffnete sie wieder – dann strich er mit der Hand über das Gesicht vor sich, sich überzeugend, daß es kein Trugbild war.
    Ein vollkommenes Antlitz.
    Keine Narben. Keine Schrunden. Keine Runzeln. Keine fehlenden Muskeln. Keine verletzten Hautflächen.
    Ein normales, gesundes, junges, ungemein hübsches, unerträglich glattes Gesicht!
    Große blaue Augen starrten ihn an. Gesunde, volle Lippen öffneten sich. Sie hatte Augenbrauen und Wimpern, eine zierliche gerade Nase, eine gerade Stirn, kleine Ohren. Ein Gesicht, so vollendet wie ihr Körper.
    Schreibert erhob sich und taumelte durch das Zimmer.
    »Ich bringe dich um …«, stammelte er. »Mein Gott … mein Gott … ich bringe dich um … Du hast ein Gesicht … du hast ein Gesicht … du bist gar nicht häßlich wie wir … Ich bringe dich um!«
    Er fiel auf das Bett, mit ausgebreiteten Armen, und japste nach Luft. Sein Herz setzte nach jedem dritten Schlag aus, und er dachte: Nun sterbe ich! Das kann ich nicht ertragen! Mein Herz bricht einfach auseinander. Jetzt habe ich zum zweitenmal mein Gesicht verloren! Jetzt ist die Welt für mich doppelt so leer.
    Corinna erhob sich vom Boden. Stumm warf sie das Kissen zum Bett zurück, schleuderte die langen Haare mit einem Schwung aus ihrem starren, blassen Gesicht, strich mit beiden Händen die Strähnen glatt, drehte den Schlüssel herum und verließ das Zimmer, ohne sich noch einmal umzublicken.
    Auf dem Flur, neben der Tür,

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