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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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neben dem Toten und betrachtete den verknoteten Schal. Er berührte Erlanger nicht, bis der Polizeiarzt kam. Er mußte in wenigen Minuten eintreffen.
    »Du mußt unterscheiden, Paps, zwischen deiner Tochter und einer Zeitungsreporterin. Wenn ich dir zu Hause den Schlips binde, bin ich die kleine Jutta. Jetzt bin ich die Journalistin Boltenstern.«
    »Setz dich ins Auto und warte!« sagte er hart.
    »Wie du willst, Paps.« Jutta warf den Kopf trotzig in den Nacken. Die Schleife löste sich, und die rotbraunen Haare ergossen sich über die Schulter. »Soll ich schreiben: Presse wird behindert und in ihrer Informationsfreiheit eingeschränkt?«
    »Ein paar hinter die Ohren kannst du haben!« sagte Boltenstern kalt. »Du wirst kein Wort darüber schreiben, was du hier gesehen hast!« Er blickte seine wütende Tochter mit fast bittenden Augen an. Dieser Mund, dachte er. Diese wilden Blicke.
    »Willst du mir Unannehmlichkeiten machen, Jutta?« fragte er leise. »Willst du deinen Vater in eine ganz dumme Sache hineinreißen?«
    Der Trotz erlosch wie eine ausgeblasene Kerze. Das weiche Gesicht ihrer Mutter sah Boltenstern an. Etwas wie Mitleid trat in ihre Augen.
    »Du … du bist darin verwickelt, Paps?« fragte sie stockend.
    »Ja, Kind.« Boltenstern atmete auf. Die kritische Minute war vorüber.
    »Was ist geschehen, Paps?«
    »Onkel Richard ist tot …«
    Ein paar Sekunden lag Schweigen zwischen ihnen. Jutta nestelte nervös an ihrer Kamera vor der Brust.
    »Was habt ihr bloß getan?« fragte sie dann, und ihre Stimme war kläglich wie die eines ängstlichen Kindes. »Müßt ihr denn solche Dummheiten anstellen? Ihr seid doch reife, erfahrene Männer, ihr habt erwachsene Kinder, ihr solltet uns doch Vorbild sein … Auch Onkel Hermann ist schwer verletzt –«
    »Was?« Boltensterns Kopf zuckte zurück. »Hermann ist …«
    »Mit dem Auto. Auf der Chaussee nach Benrath. Gegen einen Baum.«
    »Aber er lebt noch?«
    »Ja.«
    Boltenstern wischte sich mit plötzlich zitternden, unruhigen Fingern über die Haare. Sein Gesicht machte in diesen Sekunden einen alten, verfallenen, ja zerstörten Eindruck. »Woher weißt du das denn, Spätzchen?«
    »Auch über den Polizeifunk. Zuerst kam die Meldung von dem Unfall – da wollte ich sofort ins Krankenhaus. Und gleich danach die Durchsage von der Mordkommission. Da bin ich natürlich sofort zu Werner. Ich habe so eine Ahnung gehabt.« Jutta legte plötzlich den Kopf an die Schulter Boltensterns. Eine Schwäche überkam sie. Er legte den Arm um sie und sah hinaus in den regentropfenden verwilderten Park der Villa.
    »Kann ich jetzt mit ins Haus?« fragte Jutta an Boltensterns Schulter.
    »Wenn du starke Nerven hast, Spätzchen. Und kein Wort in die Zeitung.« Sie schüttelte den Kopf und wischte sich die Haare aus dem Gesicht, als sie den Kopf zurücknahm. »Herzschlag?« fragte sie leise.
    »Nein! Erdrosselt!«
    Juttas Lippen klafften auseinander, aber der Aufschrei blieb ihr in der zusammengeschnürten Kehle stecken. Nur ihre tiefbraunen Augen spiegelten die Starre blanken Entsetzens.
    »Komm, mein Kleines«, sagte Boltenstern dumpf. »Sei stark. Wir erleben jetzt eine kritische Stunde. Nicht nur ich … wir alle …«
    Werner Ritter, der junge Kriminalassistent, saß in einem der Ledersessel nahe dem Kamin und wartete, bis der Polizeifotograf seine Aufnahmen abgeknipst hatte. Dann ließ er eine Tischdecke über Kopf und Oberkörper Richard Erlangers breiten, ohne den Toten weiter zu berühren. Der fest verknotete weiße Seidenschal blieb um seinen geschwollenen Hals.
    In der Tür zum Schlaftrakt erschien nun Toni Huilsmann. Ein Beamter hatte ihn geweckt. Er kam in einem seidenen Schlafanzug herein und schwankte, als sei er noch volltrunken. Seine Augen glänzten unnatürlich, um seinen Mund lag ein merkwürdiges, infantiles, ja irres Lächeln. Er blieb mitten im Zimmer stehen, verbeugte sich nach allen Seiten und sah Major Ritter ehrfürchtig an.
    »Majestät –«, sagte Huilsmann mit klarer, aber leiernder Stimme, als liefe in ihm eine Sprechplatte mit falscher Umdrehungszahl ab. »Es ist selbstverständlich, daß Majestät einen Harem mit gläsernen Wänden bekommen! Und gläsernen Betten, natürlich. Nur die Statik macht mir Sorge. Die Statik, Majestät. Majestät wiegen immerhin 240 Pfund! Welches Glas hält diese Belastung aus?!«
    Boltenstern sah Huilsmann, den Benjamin ihres Freundeskreises, unter zusammengezogenen Augenbrauen an. Seine Backenmuskeln zitterten unter der

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