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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Haut. Er ist noch im LSD-Rausch, dachte er. Zum Glück hält man ihn jetzt für betrunken. Es wäre eine Katastrophe, wenn jemand eine Ahnung von diesem Rauschgift hätte.
    Die Stimme Konrad Ritters enthob ihn weiterer Überlegungen.
    »Kannst du nicht auf die Vernehmung Tonis verzichten, bis er nüchtern ist?« fragte er seinen Sohn, der nachdenklich den Schwankenden und dumm Lächelnden ansah. »Du siehst und hörst doch, daß er blau wie eine Haubitze ist!«
    Werner Ritter sah sich um. Sein Blick fiel auf Jutta. Wie ein verschüchtertes Mädchen klammerte sie sich an ihrem Vater fest. Er lächelte ihr zu, und sie lächelte dankbar zurück. Aufmerksam beobachtete Boltenstern diese sekundenschnelle Szene. Aha, dachte er. So ist das. Man unterhält sich schon mit Blicken und versteht sich.
    Diese Feststellung stimmte ihn sehr zufrieden. Bisher hatte er noch nie bemerkt, daß zwischen Werner Ritter und Jutta mehr war als eine Jugendfreundschaft. Sie war durch die Freundschaft der Väter zwangsläufig entstanden. Zugegeben, Boltenstern hatte sich nie darum gekümmert, wie er überhaupt wenig von dem wußte, was Jutta innerlich beschäftigte. Sie war ein modernes Mädchen geworden, das dem Leben nüchtern und mit dem klaren Blick für die Realitäten gegenüberstand. Eigentlich hatte er nie Angst um sie gehabt.
    Das ist eine gute Entwicklung, dachte Boltenstern zufrieden. So etwas sollte man pflegen. Er legte den Arm um seine Tochter, als wolle er damit ausdrücken: Zu Jutta führt der Weg nur über den Vater, und wartete auf den Fortgang der Dinge.
    »Ich will heute gar keinen verhören«, sagte Werner Ritter. »Ich warte auf den Polizeiarzt, auf den Leichenwagen und auf das Einsammeln der Asservate. Die Sachlage ist klar, das Haus wird plombiert, und morgen werden wir die einzelnen Befragungen vornehmen.«
    »Plombiert? Wozu denn das?« Konrad Ritter schüttelte den Kopf. »Wo soll denn Toni wohnen?«
    »Zwei oder drei Tage im Hotel. Bis dahin haben wir alles hier aufgenommen.«
    »Erlaube mal. Machst du immer so einen Rummel um einen Selbstmord?« rief Major a.D. Ritter.
    Werner Ritter sah seinen Vater mit geschürzten Lippen und hochgezogenen Brauen an. Dann wandte er plötzlich den Kopf zur Seite und schoß eine Frage ab.
    »Wer war alles anwesend, Herr Boltenstern?«
    Alf Boltenstern war nicht zu überraschen. Er nahm den Arm von Jutta und trat einen Schritt vor.
    »Wir vier Freunde. Sie kennen sie ja, Werner. Oder verlangt es die Amtshandlung, daß man sie namentlich aufzählt: Hermann Schreibert, Richard Erlanger …«
    »Keine Mädchen?« unterbrach Werner Ritter laut.
    »Nein!« antwortete Boltenstern ebenso klar.
    »Dann muß ich annehmen, daß einer der Herren abartig veranlagt ist …«
    »Junge! Bist du verrückt?« rief Major a.D. Ritter. »Das geht doch wohl zu weit.«
    »Bitte.« Ritter bückte sich und holte unter seinem Sessel einen ziemlich demolierten Büstenhalter hervor. Er hielt ihn hoch und schwenkte ihn vor den konsternierten Augen seines Vaters. »Wenn keine Mädchen hier waren, hat also einer der Herren einen BH getragen. Mit einem süßlichen Parfüm sogar. Da sind wohl Rückschlüsse erlaubt.«
    Hilflos sah sich Konrad Ritter um. Die Situation war teuflisch, empfand er. Einen Brückenkopf kann man stürmen, einen Panzer kann man knacken, und mit einem MG 42 hatte er schon manchen sowjetischen Angriff aufgehalten. Aber einem zerfetzten BH gegenüber war er machtlos. Da nutzte keine Tapferkeit mehr und keine Taktik.
    »Es waren Mädchen hier«, sagte Boltenstern kurz.
    »Woher?« fragte Ritter ebenso kurz zurück.
    »Wie soll ich das wissen? Jeder brachte seine Dame mit.«
    »Sie auch?«
    »Ja.« Boltenstern sah auf den dicken Teppich. »Ich habe sie auf der Kö in meinen Wagen gebeten.«
    »Paps –«, sagte hinter ihm Jutta leise.
    »Paps! O wei, o je! Was soll das?« rief Konrad Ritter. Er wollte an Ansehen retten, was noch zu retten war. Es war wie das Strampeln einer Maus in den Krallen einer Katze. »Geben wir uns doch nicht moralischer als wir sind! Was ist denn schon geschehen? Was haben die Herren denn gemacht? Zum Nachtisch haben sie ein paar wilde Früchte vernascht – das ist alles!«
    »Und ein Mord ist geschehen!« sagte Werner Ritter ruhig.
    Lähmende Stille breitete sich aus. Sogar die Beamten, die in einiger Entfernung herumstanden, hoben die Köpfe.
    »Das ist doch wohl der größte Blödsinn, den du je gesagt hast, Junge …«, stammelte Konrad Ritter.
    »Ein Mord!«

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