Zum Nachtisch wilde Früchte
angetriebener russischer Leibeigener zur Tür, die zum Küchenflur führte. »Auch Kaviar?«
»Von mir aus. Soll ich dir schon einen Whisky mischen, Toni?«
»Ja, bitte. Du weißt ja –«
»Zwei Teile schottischen, einen Teil kanadischen, drei Eiswürfel –«
»Fabelhaft.« Huilsmann blieb an der Tür stehen. »Sag mal, Alf, ist es nicht blöd, daß wir uns streiten?«
Boltenstern nickte stumm. Er wartete, bis Huilsmann in der Küche verschwunden war, dann griff er in die Tasche und holte ein kleines, würfelähnliches Stanniolpäckchen heraus. Vorsichtig, aber mit schnellen Fingern, wickelte er das Stanniol ab. Ein Stückchen Würfelzucker kam zum Vorschein, das Boltenstern in das hohe Whiskyglas fallen ließ, mit den Eisstückchen bedeckte und dann den Whisky darüberschüttete. Mit einem langen, silbernen Barlöffel rührte er so lange, bis der Zucker zerfiel und sich völlig aufgelöst hatte. Dann nahm er eine Flasche mit Cherrylikör und tropfte ein paar Spritzer Likör in den Whisky.
Er war gerade mit seinem Mixgetränk fertig, als Huilsmann wieder hereinkam, zwei Teller mit kaltem Huhn und Kaviar in den Händen.
»Mensch, habe ich einen Durst!« rief er und ging zu dem hohen Glas, das auf dem Tisch stand. »Diese Aufregung hat mich ganz ausgedörrt!« Er hob das Glas hoch und schüttelte den Kopf. »Merkwürdige Farbe hat der Whisky, Alf.«
»Ein paar Tropfen Cherrylikör ist noch drin.«
»Im Whisky? Du Barbar!«
»Es schmeckt vorzüglich. Habe es einmal in Rom getrunken. Probier es … wenn's dir nicht schmeckt, mische ich dir dein gewohntes Gesöff.«
Huilsmann nippte, verzog dann die Lippen, machte die Nase kraus und trank dann in drei langen Zügen das hohe Glas leer.
»Mal etwas Neues!« sagte er danach. »Schmeckt gut. Etwas süßlich. Mehr für Damen, die hart sein wollen.«
Nach zwanzig Minuten verabschiedete sich Boltenstern, ohne daß noch ein Wort über die heimlichen Fotos gesagt wurde. Huilsmann umarmte Boltenstern sogar und benahm sich etwas kindisch; das hohe Glas Whisky hatte ihn in eine euphorische Stimmung gebracht, er sang auf der Treppe vor der Haustür und winkte Boltenstern nach, als unternehme dieser eine Weltreise.
Zehn Minuten später überkam Huilsmann eine hektische Unruhe. Die exotischen Blumen in den beleuchteten Glaskästen des Atriums verfärbten sich … sie wurden orangerot und violett, das Licht bekam einen Schimmer, als sei es Widerschein tausender geschliffener Diamanten, der Teppich veränderte sich und wurde eine Wiese, auf der plötzlich Riesenblumen wuchsen, so hoch, daß sie die Decke durchstießen und die Sterne und den Mond umrankten.
Mit offenem Mund stand Huilsmann inmitten dieser Märchenpracht, und da rutschte ein Stern den Stengel einer Blume hinab, und dieser Stern wurde zu einem wunderschönen Mädchen mit langen, flatternden, pechschwarzen Haaren, und wie nun diese Haare flatterten, erzeugten sie eine Musik wie Harfen, und kleine gelbe Rosen schwammen auf unsichtbaren Wellen um den schlanken Körper, der sich veränderte, von innen heraus leuchtete, als sei er aus Glas … und nackt war das Mädchen, und Huilsmann konnte durch es hindurchsehen … er sah die Blutbahnen und das zuckende Herz, die atmenden Lungen und den pumpenden Magen, die Leber und die zusammengelegten Windungen des Darmes, die Knochen und die Wirbelsäule, die Muskelstränge und Nervenfäden … ein gläserner Mensch kam auf ihn zu, umarmte ihn, küßte ihn, zog ihn aus … erst das Hemd, dann das Unterhemd, darauf die Hose, und die gläsernen Hände mit den Adern, in denen er rot das Blut fließen sah, waren warm und weich … biegsames Glas, das sich anfühlte wie zartes Mädchenfleisch …
»Oh –«, stammelte Huilsmann. »Oh – wer bist du?«
»Ich bin die Tochter der Venus«, sagte die Gläserne. »Hast du nicht gesehen … ich bin an einer Blume zu dir hinuntergekommen …« Und ihre Hände strichen über seinen Körper, und er stöhnte, umklammerte den gläsernen, nackten Leib und starrte auf das Herz, das wie ein Blasebalg pumpte, und auf die Lunge, die aus Millionen glitzernder Luftbläschen bestand.
»Tochter der Venus«, hauchte Huilsmann. »Meine Geliebte …«
Vor dem schmiedeeisernen Tor wartete Boltenstern und sah auf seine Armbanduhr. Nachdem eine Viertelstunde vergangen war, kehrte er zu Fuß zur Villa zurück und fand den Eingang weit offen. Vorsichtig betrat er die Halle und stellte sich in den dunklen Winkel der Garderobe.
Als Boltenstern gegangen
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