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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kommen und ihn suchen. Jung und glücklich sah sie aus … sie ging nicht über den Kiesweg, sie schwebte auf ihren langen Beinen. Die Sonne lag auf ihrem aufgesteckten blonden Haaren wie ein goldgesponnener Schleier.
    »Merken Sie eigentlich nicht, was für ein Schwein Sie sind?« sagte er grob. »Leider – ich muß jetzt sagen leider – bin ich zu gut erzogen, um Ihnen eine herunterzuhauen. Betrachten Sie aber meine Verachtung für Ihr schweinisches Angebot als eine schallende Ohrfeige!«
    Er ging Petra entgegen, faßte sie unter, zog sie vom Weg, gab ihr einen Kuß und ging mit ihr zurück zur Frühstücksterrasse. Herr Larensius sah ihnen mit hängenden Mundwinkeln nach.
    Ein fader Mensch, dachte er. Ein bürgerlicher Ehemann. Elf Jahre verheiratet! Und rennt einem Spielchen davon. So etwas gibt es auch.
    Man soll nicht glauben, wie eine Ehe den Mann vermuffelt.
    Zwei Tage später zogen Petra Erlanger und Alf Boltenstern aus dem Hotel ›Odysseus‹ aus. Boltenstern hatte eine kleine Villa mieten können. Oben, in den Felsen, in einem verwilderten Weingarten, völlig abgeschlossen und einsam, mit einem Blick über die Insel und weit übers Meer bis zum Horizont, wo Himmel und Wasser eins wurden.
    »Unser Paradies!« sagte Boltenstern, als sie Hand in Hand in den wilden Weinhängen standen. »Hier möchte ich nie wieder weg.«
    Minuten später schon rannte Petra durch den Garten, schwerelos, mit schwingenden Armen, als könne sie fliegen, ein zartbronzenes, nacktes Vögelchen, ein von der Sonne abgebrochener goldener Strahl …
    Und Boltenstern empfand das als ganz natürlich. Ohne es zu merken, war er vom Sieger zum Bezwungenen geworden.
    Zwei einsame Tage lagen hinter Jutta.
    Der Schock, den sie aus Essen heimgebracht hatte, die Erzählung der roten Mary, vor allem aber das Erlebnis, wie es bei sogenannten ›Sitzungen‹ zugeht, und sie erinnerte sich mit brennendem Herzen daran, wie oft ihr Vater zu ihr gesagt hatte: »Spätzchen, es kann spät werden … schon wieder so eine langweilige Besprechung …«, dieser Zusammenbruch einer schönen, kindlichen Welt, die eigentlich schon nicht mehr bestanden hatte, aber an die sich Jutta bis zuletzt geklammert hatte, trotz aller Nüchternheit der modernen Jugend, hatte sie niedergedrückt, als habe man nicht Richard Erlanger begraben, sondern ihren Vater.
    Sie nahm sich eine Woche Krankenurlaub von der Redaktion, verkroch sich in den leeren Bungalow, saß hinter den großen Scheiben und starrte in den Garten.
    Das also ist mein Vater, dachte sie immer wieder. Bisher war er ein Heros für mich, ein Vorbild, ein Denkmal. Was ist aus ihm geworden? Ein Mann wie tausend andere. Ein Mann, der die Mittel hat, sich Liebe zu kaufen. Ein Mann, der für Geld vorgaukeln läßt, daß die Welt ihm gehöre, daß er mit Menschen machen kann, was er will, der einen Geldschein auf den Tisch legt und damit einen Menschen kauft … für eine Stunde, eine Nacht, einen Rausch, einen Mord!
    Das war es, was Jutta jegliche Ruhe nahm. Die große Frage, der auch Werner Ritter nachjagte und vor deren Antwort sich ihm alle Türen verschlossen: Was war in der Nacht zum 22. Mai geschehen? Wer hatte Richard Erlanger umgebracht?
    Einen Zipfel des Geheimnisses hielt Jutta jetzt in den Händen. Ihr Vater hatte das LSD in die Gläser getan. Nichts gab es daran zu deuteln, und Jutta wußte, daß Werner Ritter für diese Auskunft um die Erde jagen würde, wenn es möglich war, sie zu erlangen.
    Ein paarmal klingelte das Telefon. Jutta ging nicht hin, sie blieb sitzen, mit verkrampften Händen, bis das schrille Läuten verstummte. Dann, gegen Abend, ertönte die Haustürglocke. Auf Zehenspitzen schlich sie zur Tür, lehnte die Stirn an das Holz und weinte leise. Sie wußte, wer draußen stand. Und sie hörte, wie Werner Ritter zögernd wieder ging, lief zum Fenster der Küche und sah ihm nach, wie er immer wieder stehenblieb und zurückblickte zu dem langgestreckten, dunklen Haus.
    Und dann kamen die Nächte, die schrecklichen, langen Nächte, in denen sie im Haus herumlief, ruhelos und hilflos, in denen sie das Bild Alf Boltenstern herumtrug und ihn immer und immer wieder ansah und ihn schließlich anschrie: »Warum hast du das getan? Warum genügte dir dein Leben nicht! Warum bist du nicht das Vorbild geblieben, das du 23 Jahre lang warst?! Was habe ich nun auf der Welt? Wie soll ich dich ansehen, Vater, wenn du zurückkommst?«
    Und dann war die Angst da, die Angst vor Werner Ritters Nachforschungen,

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