Zum Teufel mit David!: Roman (German Edition)
sicherzustellen, daß sie zufällig vorbeikommende Kinder nicht in Angst und Schrecken versetzte oder die Pferde bei ihrem Anblick nicht scheuten. Wenn er schon eine ältere Frau zum Essen ausführen wollte, konnte er auch gleich genau erfahren wie sie aussah, ehe sie sich vor ihren Vergrößerungsspiegel setzte und dicke Farbschichten aufspachtelte.
Als Polly zu ihrem Stammlokal ging, überlegte sie, ob ihr ein Stein vom Herzen fallen würde, wenn Tristan inzwischen ein paar Pasteten und Kartoffelbrei vertilgt und sich aus dem Staub gemacht hätte, oder ob sie enttäuscht wäre. Sie hatte den häßlichen Verdacht, daß sie in höchster Gefahr war, ›den Kopf wegen eines Mannes zu verlieren‹, wie man so schön sagte.
Ihr ausgeprägter Selbsterhaltungstrieb führte sie zu der Erkenntnis, daß sie dankbar sein müßte, wenn Tristan bereits durch die Nacht schlenderte und sich nach neuen oder zumindest jüngeren Opfern umsah. Aber im Grunde wußte sie, daß sie genau das stinksauer machen würde.
Es war kein schicker, moderner Pub, aber es war ein Lokal, in das sie ganz allein gehen konnte, ohne sich unwohl zu fühlen. Wenn Tristan nicht mehr da war, konnte sie etwas trinken und ein bißchen mit dem Wirt oder anderen Gästen plaudern. Falls ihn sein Durchstehvermögen nicht verlassen hatte, war es Schicksal – ein Schicksal, das sie unweigerlich auf Abwege führen würde.
Sie stieß die Tür auf und sah Tristan auf den ersten Blick. Er schien sich unter den Stammgästen wie zu Hause zu fühlen und lümmelte sich selbstbewußt und lässig an der Bar – einen Stiefel hatte er auf die untere Messingschiene gestellt und die mit Leder verhüllten Ellbogen auf die verrutschte Abtropfmatte auf dem Tresen gestützt.
Wie jeder gute Journalist schwatzte er mit dem Wirt und suchte ständig, wahrscheinlich ohne sich dessen selbst richtig bewußt zu sein, nach Informationen, aus denen er eine Sensationsstory basteln konnte. Er machte einen ausgesprochen rücksichtslosen Eindruck, und es war ihm zuzutrauen, daß er einer weinenden Witwe ein Mikrophon vors Gesicht hielt und sie nach ihrer Reaktion auf den brutalen Mord an ihrem Mann ausfragte. Er würde weit gehen – wie weit er in Pollys Richtung gehen wollte, mußte sie noch herausfinden.
Sie schenkte allen Anwesenden ein Lächeln und spürte ein Kribbeln in ihrem Magen. Das ist der Hunger, redete sie sich ein und ging auf Tristan zu.
»Polly!« rief er, als würde er sich wirklich freuen, sie zu sehen. »Was möchtest du trinken?«
»Hallo, Tristan« erwiderte sie gleichgültig, während sie versuchte, Herr über das Kribbeln zu werden. »Du bist noch hier? Gin und Tonic bitte, Reg«, setzte sie an den Wirt gewandt hinzu.
»Natürlich bin ich noch hier. Wieso sollte ich nicht hier sein?« Er schien ehrlich gekränkt, daß sie ihm so etwas zutraute.
Sie zuckte mit den Achseln – ihr gleichgültiges Benehmen beeindruckte sie selbst – und kletterte auf den Barhocker neben ihm. »Ich dachte, du hättest Hunger und längst etwas gegessen.«
»Nur ein paar Chips.« Er sah fast aus, als hätte er vor, eine Weile zu schmollen, aber dann gewann sein selbstgerechtes Ego wieder die Oberhand, und er zeigte ihr ein verruchtes Grinsen, das er vor dem Spiegel einstudiert haben mußte. »Und jetzt möchte ich etwas Gehaltvolleres.«
Wenn ich Beth wäre, wüßte ich genau, wie man eine solche Äußerung auffassen muß, dachte Polly und nahm einen Schluck von ihrem Gin. Aber da sie diese Spielchen schon vor langer Zeit aufgegeben hatte, konnte sie sich nicht mehr an die Regeln erinnern – sie beherrschte die spezielle Sprache nicht mehr und mußte improvisieren. »Tatsächlich?«
Er holte ein Päckchen Gauloises aus seiner Tasche, bot ihr eine an und steckte sich selbst eine in den Mundwinkel. »Ich würde gern ins Old Grey Ewe gehen.« Er inhalierte tief den teergeschwängerten Rauch seiner Zigarette. »Ich hab’ gehört, daß das Essen dort sehr gut ist.«
»Brauchst du wirklich noch Nahrung nach all dem Nikotin, das dich am Leben erhält?«
»Wäre es dir lieber, wenn ich nicht rauchen würde?« Er nahm die Zigarette in die andere Hand, so daß ihr der Rauch nicht mehr in die Nase stieg.
Sie zuckte mit den Schultern und verkniff sich die Bemerkung, daß es ihr auch egal wäre, wenn er in Flammen aufginge. »Das ist nicht mein Bier. Wo ist das Old Grey Ewe?«
»In Ewestone, in der Nähe von Cirencester. Wir nehmen ein Taxi.«
Polly inspizierte die Zitronenscheibe in
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