Zum Teufel mit David!: Roman (German Edition)
jünger und nicht so naß gewesen wäre oder wenn man ihr auch nur die geringste Schuld an der prekären Situation hätte geben können, hätte er ihr Angst eingejagt. Sie sah ihm direkt in die Augen.
»Etwas Stärkeres. Etwas viel Stärkeres.«
Für jemanden, der seine Gefühle so meisterlich verstecken konnte, wurde seine Miene plötzlich erstaunlich ausdrucksvoll. Die Verachtung war nicht zu übersehen, und er hatte Mühe sie nicht auch in seinem Tonfall deutlich werden zu lassen.
»Was? Whisky? Gin? Wodka habe ich leider nicht da.«
»Whisky. Bitte«, setzte sie hinzu, weil sie meinte, daß wenigstens einer von ihnen Manieren bewahren sollte.
Er ging zu einem Beistelltisch aus Rosenholz, auf dem ein Silbertablett – zweifellos eine Trophäe, die ein Locking-Hill nach einem Ruderwettbewerb nach Hause gebracht hatte – mit zwei Karaffen und ein paar Gläsern stand.
»Ich fürchte, ich habe kein Gingerale. Was möchten Sie statt dessen – Soda, Wasser?«
»Keins von beidem, danke.«
»Womit möchten Sie dann Ihren Whisky verdünnen?«
»Nichts. Ich mag ihn pur.«
Er schenkte sich auch einen Drink ein und kehrte zum Kamin zurück. »Ich hätte nicht gedacht, daß Sie trinken.«
Polly blitzte ihn giftig an. »Ich ›trinke‹ nicht, wie Sie es so vornehm ausdrücken. Ich bin nur naß bis auf die Knochen und friere, und zudem habe ich zufällig Lust auf einen Whisky.« Sie senkte den Blick auf das Glas, das er ihr reichte, sah aber nicht, wie erwartet, die winzige Pfütze, sondern gut zwei Finger breit Whisky. Sie nahm einen Schluck. Wenn ihre Geschmacksnerven sie nicht täuschten, war das ein reiner Maltwhisky – so rauchig und moosig wie ein Torffeuer.
Polly vergab David fast seine boshafte Bemerkung und strich Gemeinheit und Geiz von der Liste seiner Charaktermängel. Dann bedankte sie sich ein wenig verspätet.
Er trank auch einen Schluck aus seinem Glas, ließ sich in dem Sessel ihr gegenüber nieder und streckte die Beine dem Feuer entgegen. »Jetzt erzählen Sie mir, wie es dazu kommen konnte, daß Sie meinem Sohn zum zweitenmal aus einer Klemme helfen mußten.«
Polly gönnte sich noch einen Schluck und lehnte sich zurück. Das Feuer hatte zumindest die schlimmste Nässe durchdrungen und ein wenig Kälte neutralisiert, der Alkohol tat ebenfalls seine Wirkung. Noch eine Viertelstunde, dann ging es ihr wieder bestens.
»Sollten Sie das nicht lieber Patrick fragen?« erwiderte sie.
»Patrick und ich haben ein ernstes Kommunikationsproblem. Etwas von ihm in Erfahrung zu bringen ist äußerst zeitraubend.«
»Vielleicht wäre es eine gut investierte Zeit.«
Seine Augenbrauen zuckten. »Vielleicht, aber gerade Zeit habe ich im Moment am allerwenigsten.«
Sie zögerte immer noch.
»Ich werde ihm sagen, daß ich Sie mit allen Mitteln gezwungen habe, mir die Geschichte zu erzählen«, schluger trocken
vor. »Das nimmt er mir sofort ab, das kann ich Ihnen versichern.«
»Schüchtern Sie Ihren Sohn ein, David?«
Seine Augen verengten sich zu Schlitzen. »Haben Sie meinen Sohn gekidnappt, Polly?«
Das war ein ungeheuerlicher Vorwurf. »Selbstverständlich nicht! Wofür halten Sie mich, für eine Kinderverführerin?«
»Wenn Sie sich angesprochen fühlen ...«
»Das tue ich nicht!« Plötzlich stand ihr das Bild von Tristan vor Augen, und sie wurde rot. Verfluchter David und verdammt, daß man ihr immer ansah, wenn man sie in Verlegenheit gebracht hatte.
»Nein? Ich dachte Sie hätten eine Vorliebe für die Jungen.«
»Ich mag junge Menschen ja, aber gewiß nicht in sexueller Hinsicht!«
Offensichtlich hatte David die richtigen Schlüsse aus Tristans spätem Auftritt bei ihrer Dinnerparty gezogen, doch es schien ihm Schwierigkeiten zu bereiten, den Unterschied zwischen einem durchtriebenen Fünfundzwanzigjährigen und einem gerade erst flügge gewordenen Schuljungen zu erkennen.
Sie spürte, daß sie ihre Schroffheit ein bißchen zu weit getrieben hatte, und versuchte, ihren Ausbruch abzuschwächen.
»David, Patrick ist wirklich ein lieber Junge, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß er sehr viel älter als achtzehn ist.«
»Er ist siebzehn.«
Es wurde immer schlimmer. »Und Sie beschuldigen mich, ich würde ein bloßes Kind verführen wollen?«
»Es würde ihm nicht gefallen, daß Sie ihn ein Kind nennen. Und ich beschuldige Sie keineswegs – ich versuche nur, die Wahrheit herauszufinden. Dabei sind Sie mir leider nicht unbedingt eine Hilfe.«
So hochnäsig wie er konnte sie auch
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