Zum weißen Elefanten
Frau, und du weißt, daß das nicht stimmt. Katherine würde mich nie sitzenlassen«, sagte sie, dann tat es ihr leid, und sie versuchte, mit ihrem kleinen Arm die mächtige Taille zu umspannen, um Miriam zum Abschied zu umarmen.
Tony hatte sie beide zum Abschied begeistert geküßt, aber Jane leidenschaftlicher als Katherine, und das stimmte sie grundlos fröhlich. Trotzdem lehnte sie es ab, daß er sie Freitag abend abholte; sie würden mit dem Spätbus kommen, und Mrs. Neal hatte sich einverstanden erklärt, Katherine so früh gehen zu lassen, daß sie ihn bekam. »Und wir fahren am Montagmorgen mit Hugh im Lieferwagen zurück; er fährt so früh, daß wir pünktlich sind.«
»Selbständigkeit und Stolz wird eines Tages dein Untergang sein, mein Kind«, sagte er rachsüchtig, als er sie verließ.
Katherine war an diesem ersten Abend sehr melancholisch. »Der Autolärm ist gräßlich. Es war so still im >Weißen Elefanten<.«
»Viel zu still, weil niemand kam und kein Geld hereinfloß.«
»Darüber habe ich mir nie Sorgen gemacht. Ich war immer sicher, daß schon irgend etwas kommen würde.«
»Tja, nichts und niemand ist gekommen. Aber Kopf hoch, Kit, paßt gar nicht zu dir, zu klagen. Der Laden gefällt dir bestimmt, und du wirst gerne mit hübschen Sachen arbeiten und ein großer Erfolg werden.«
Katherine ging traurig zu Bett und schlief sofort ein. Jane lag lange wach, hörte die Geräusche draußen auf der Straße, im Haus nebenan, die Leute um sie herum, die vorbeifahrenden Autos, und das Gefühl, einen Fehlschlag erlitten zu haben, quälte sie. Was hatte Kit über ihre hohen Erwartungen gesagt? Ihre waren auf der ganzen Linie zu hoch gewesen. Aber am nächsten Morgen ging sie tapfer zu Mr. Duncans Büro und arbeitete den ganzen Tag lang hart und gut. Der alte Rechtsanwalt war mit seiner Sekretärin zufrieden. Das war ein herrliches Mädchen; sie hatte ein gesundes Einfühlungsvermögen. Gewiß war ihre Rechtschreibung zuweilen etwas eigenartig, aber er hatte schon von gelehrten und gebildeten Menschen gehört, denen dieser Fehler anhaftete. Was sie sonst leistete, glich das wieder aus, und Jim Matthews war gerne gewillt, ihre Briefe nachzusehen. In diesem Büro gab es keine wilde Hetze, es war keine Rede davon, daß durch ihre Fehler Zeit vergeudet wurde.
Er fuhr nicht einmal merklich zusammen, als er eines Tages vom Mittagessen zurückkam und seine Sekretärin in einem fröhlichen Gespräch mit einer alten Maori-Frau fand, die mit einem Stoffbündel im Arm auf dem Boden ihres Zimmers saß. Jane sprang sofort auf, und ohne eine entschuldigende Miene oder Geste stellte sie Miriam vor. »Mr. Duncan, das ist Huas Mutter. Sie ist so gut zu mir gewesen. Sie und Hua sind eigentlich meine besten Freunde, abgesehen von den Stevensons natürlich.«
Mit einer höflichen, altmodischen Verbeugung gab ihr Mr. Duncan die Hand. »Hua ist auch ein Freund von mir, aber ich hatte bis jetzt nicht das Vergnügen, seine Mutter kennenzulernen. Mr. Enderby hat jedoch oft von Ihnen beiden gesprochen. Nein, bleiben Sie, Miss Lee hat schon mehr Arbeit erledigt, als ich habe. Ich finde, sie ist eine strenge Chefin«, und er und Miriam lachten fröhlich über dieses Lob.
Jane zeigte mit ihrer kleinen Hand auf das Bündel. »Miriam hat mir ein paar Muscheln mitgebracht. Ist das nicht lieb von ihr? Ich mag Muscheln so gerne.«
Etwas erzwungen erwiderte der Rechtsanwalt: »Ah, sehr schmackhaft, sehr schmackhaft, glaube ich. Voll mit geheimnisvollen Vitaminen. Tja, ich will Sie jetzt nicht weiter in Ihrer Unterhaltung stören.«
Als Miriam gegangen war, streckte Jane entschuldigend den Kopf in sein Zimmer. »Macht Ihnen der Muschelgeruch wirklich nichts aus? Ich kann Sie nach Hause bringen, wenn Sie es wollen.«
»Ganz im Gegenteil, ich habe heute nachmittag einen Termin mit Maori-Klienten, und das Büro wird dann genau den richtigen — hm, Geruch haben.«
Sie lachte und sagte dann ernst: »Wissen Sie, ich habe nie gewußt, was für herrliche Menschen die Maoris sind, bevor ich Hua und Miriam traf.«
Er seufzte leicht. »Es ist viel besser, eine Rasse nach ihren besten als nach ihren schlechtesten Exemplaren zu beurteilen. Diese alte Frau ist noch eines der wenigen Überbleibsel — eine echte Maori-Frau, die von unserer sogenannten Zivilisation noch unberührt ist.«
»Nicht wahr? Und wissen Sie, sie ist unheimlich klug — und dabei kann sie weder lesen noch schreiben.«
»Das ist gar nicht so verwunderlich, wie Sie
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