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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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wird so etwas wie Müllers Privatnutte. Er schmückt sich mit ihr, genießt die anerkennenden Blicke der Männer, wenn er mit ihr unterwegs ist. Aber er betrügt sie auch, gewinnt seine Macht über Frauen zurück. Und sie, sie liebt ihn immer noch, liebt ihn mehr als je. Sie würde alles für ihn tun. Sie färbt die Haare platinblond, wie er es will, trägt rote Lackkleider und schwarze Kostüme, weil ihm das gefällt. »Du musst schon auch aussehen wie eine Nutte«, sagt Müller, »sonst bringt das nix.« Sie lernt, auf Zwölf-Zentimeter-High-Heels den Rollstuhl treppauf, treppab zu zerren. Sie kocht für Müller, putzt für Müller, kauft für ihn ein und lässt ihn manchmal durch ein Guckloch zuschauen, wenn sie Kundschaft hat. Sie gewöhnt sich sogar ihren breiten Pinneberger Akzent ab, weil der ihn stört. Sie wird mit Haut und Haaren sein Geschöpf, und wenn erreist, reist sie hinterher. Sie schiebt ihn, kauft Zeitungen, legt ihm die Sachen raus, wäscht ihm die Haare. Aber er heiratet sie nicht. Er denkt nicht im Traum daran, sie zu heiraten. Er verspricht es im Scherz, stellt es für irgendwann in Aussicht, er hält sie mit halbseidenen Schwüren.
    Zeitgleich verfällt er der Gräfin, einer älteren, herrischen Frau, weniger schön als sie, aber viel klüger. Lydia hält das aus. Sie hält all seine Affären aus, fährt ihn zum Rendezvous, wartet, holt ihn ab. Sie muss das nur ordentlich machen. Sie muss einen langen Atem haben. Dann wird er sie heiraten, irgendwann. Er hat es doch versprochen.
    Die Jahre vergehen. Lydia wird älter, kriegt Krampfadern, Haarausfall, geht aus dem Leim. Schwermut packt sie. Sie lässt sich erst die Brüste vergrößern, dann den Bauch absaugen, dann das Gesicht straffen. Die Lippen plustern sich auf wie bei einem alten Bovist. Die Augen weiten sich wie im Schreck. Die erste große Straffung der Wangen und Stirn geht einigermaßen gut, bei der zweiten wird versehentlich ein Muskel am Auge durchtrennt. »Du siehst aus wie Karl Dall, meine Alte«, sagt Müller, kneift sie in die gestraffte Wange, gibt ihr einen Klaps auf den seit der Absaugung merkwürdig abschüssigen Arsch und verbannt sie weitgehend aus seinem Bett. Als er sie nicht mehr bei sich sein lässt, bleibt sie dennoch in seiner Nähe.
    Die Narben tun weh. Die Gelenke tun weh. Die Füße tun auch weh. Sie sind kaputt, die viele Stöckelei, Hallux valgus, Ballenentzündung, aber sie trägt trotzdem weiter Pumps. Sie hat Schmerzen wie die Schwestern von Aschenputtel, die sich die Fersen abhackten, um in ihren Schuh zu passen. Jeder Schritt ein Messerstich wie bei der kleinen Meerjungfrau. Sie lässt sich Botox in die Füße spritzen, damit sie nicht mehr weh tun. Ihre lebenslang gebleichten Haare brechen ab und fallen aus. Sie beginnt Perücken zu tragen.
    Dabei tut sie, was sie kann, um Müllers Frauenbild zu erfüllen. Sie ist stets frisch lackiert und rasiert und unter ihren Businesskostümenaufreizend gekleidet, für den immer unwahrscheinlicher werdenden Fall, dass Müller sie eines Tages doch wieder will. Sie kauft sich jeden Mantel, vor dem Müller launenhaft anerkennend stehen bleibt, weil sie nicht versteht, dass er sich in dem Mantel jede andere vorstellt, nur nicht sie. Sie wird zum Zerrbild seines Frauengeschmacks. Er heiratet sie nicht, er wird sie niemals heiraten, und sie wird eine alte Frau. Hinter ihrem zerstörten Gesicht trägt sie immer noch ihr jugendlich schönes. An guten Tagen kann sie es im Spiegel sehen, an schlechten Tagen sieht sie die Kerben, die der BH über die Jahrzehnte in ihre Schultern geschnitten hat, sie sieht die unebene, großporige, runzelnde Haut an Hals und Dekolleté, das Triefauge und das merkwürdige, durch Überspannung verursachte Grinsen.
    Neben den Spiegel hat sie sich ein unvorteilhaftes Foto der ungeschminkten Pamela Anderson gehängt. Ein Trost, wenn auch nur ein schwacher. Sie sieht Müllers Frauen kommen und gehen, aber sie wird bleiben, niemand kennt Müller so lange und so gut wie sie. Er wird wiederkommen, eines Tages wird er wiederkommen, sie werden zusammen alt werden oder alt sein, er hat es versprochen, sie glaubt ihm. Und sie hat ja sonst nichts. Immer ist sie in Sorge: Was ist, wenn er mich verletzt? Was ist, wenn er mich verlässt? Was ist, wenn er stirbt? Als Müller nach Dingenskirchen zieht, zieht sie hinterher. Sie heuert als Geschäftsführerin im »Aphrodite« an, das einem schwulen Bauunternehmer aus Rizz gehört. Sie lebt mit sieben deutschen

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