Zur Kasse, Schnaeppchen
interessant zu beobachten sein. Anders sieht es jedoch aus, wenn man in das dramatische Geschehen unmittelbar eingebunden ist.
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Leidgeprüfte Eltern können ein Lied davon singen: Unternehmen versuchen mit allen Tricks, die Kinder zum Kauf ihrer Produkte zu verführen. Und so wird der Gang durch den Supermarkt und hier insbesondere das Warten an der Kasse zur ernsthaften Belastung einer ansonsten intakten Eltern-Kind-Beziehung. Schon 1939 gab es einen ersten Ratgeber für Handelsunternehmen, in dem auch auf die Rolle der Kinder hingewiesen wurde. Christine Fell vom Deutschen Jugendinstitut in München spricht in diesem Zusammenhang heute von einer Kommerzialisierung der Kindheit. Denn die Bedeutung der Kids als Wirtschaftsfaktor hat in den letzten Jahrzehnten ständig zugenommen. Diese Entwicklung lässt sich an folgenden Punkten ablesen:
⢠Die Menge an TV-Werbung, die sich an Kinder richtet, steigt jährlich um rund 15 bis 20% an. Rund 17% der Werbespots sind eindeutig an Kiddies adressiert. In der Vorweihnachtszeit ist es sogar ein Drittel aller Werbespots.
⢠Immer mehr Marktforschungsinstitute, wissenschaftliche Studien und Publikationen beschäftigen sich mit dem Thema Kinder-Marketing.
⢠Mehr und mehr Produkte werden ausschlieÃlich für Kinder entwickelt. Stellvertretend hierfür stehen die Ãberraschungseier von Ferrero, die Nimm-2-Bonbons von Storck oder die Markenfamilie Leo Lausemaus, die von ALDI Süd ins Leben gerufen wurde und deren Produkte nur für die Jüngsten sind. Und ganz zufällig gab es bereits vorher eine gleichnamige Buchserie, in deren Mittelpunkt die sympathische Maus steht.
Warum aber sind die Kinder für Unternehmen zunehmend wichtig? Ganz einfach. Sie haben immer mehr eigenes Geld und beeinflussen die Kaufentscheidungen ihrer Eltern und GroÃeltern immer stärker. Kinder im Alter von 6 bis 9 Jahren verfügen in Deutschland über mehr als 1.000 ⬠im Jahr. Wie die Kids-Verbraucher-Analyse
herausgefunden hat, bekommen die 6- bis 13-Jährigen durchschnittlich 22 ⬠Taschengeld im Monat. Die Geldgeschenke belaufen sich auf 170 ⬠im Jahr, und auf dem Sparbuch liegen noch einmal 700 â¬. 23
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Aber Kinder kaufen nicht nur selbst, sie beeinflussen auch die Kaufentscheidungen der Eltern: Eine Untersuchung der Universität Wien hat ergeben, dass Familien, die mit Kindern einkaufen, häufig dem Weg folgen, den die Kinder einschlagen. Da die Familien immer kleiner werden, steigt die Macht des einzelnen Kindes bei familiären Kaufentscheidungen. AuÃerdem beziehen immer mehr Eltern ihre Kinder in Entscheidungen mit ein. Dies betrifft dann nicht nur Urlaubsreisen oder Möbel, sondern immer öfter auch Lebensmittel.
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Vater oder Mutter instrumentalisieren Kinder als »Koalitionspartner«, um Kaufentscheidungen durchzusetzen. In der Informationstechnologie und Unterhaltungselektronik sind nicht selten die Kinder besser als die Eltern informiert. Und nicht zuletzt wird auch deswegen viel Geld für Kinder ausgegeben, weil die Eltern im Falle von Scheidung oder Berufstätigkeit beider Elternteile mit ihren Kindern teuer einkaufen gehen, um das schlechte Gewissen zu beruhigen.
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Kleine Kinder können die Eltern beim Einkaufen und Geldausgeben aber auch stören. Deshalb bieten manche Händler Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder an. IKEA mit seiner Kinderbetreuung im »Småland« und kostenloser Babynahrung oder das Kinderkino bei H&M oder C&A sind Beispiele. Der Grund für dieses Angebot liegt aber nicht nur darin, dass die Eltern entspannt einkaufen, weil die Kinder beschäftigt sind. Der Vorteil ist auch, dass die Kinder gerne wieder dorthin möchten, wo es ihnen gefallen hat.
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Im Ausland ist man noch weiter: Der britische Supermarktriese Tesco hat einen Kids-Club gegründet, dem rund 200.000 Kinder angehören. Sie bekommen regelmäÃig Post von Tesco, mit lustigen und unterhaltsamen Spielen und Comics, aber auch mit geschickt verpackter Werbung für Produkte, welche die Kinder interessieren könnten.
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Im Alter von sieben oder neun Jahren wechselt die Kaufentscheidung von den Eltern (meistens der Mutter) auf das Kind über. Die Marketingexperten Raab und Unger haben es mit einer Kundenbeobachtung untersucht: Wenn Eltern mit Kindern einkaufen, wünscht sich in zwei von drei Fällen das Kind vor dem Cornflakes-Regal eine Packung.
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