Zurück in Virgin River (German Edition)
begehe nie wieder eine Sünde, wenn du mich einfach am Leben lässt. So ungefähr in der Art. Das haben wir alle schon mal gemacht. Aber das Wichtigste daran ist, dass man am Ende sein Schicksal akzeptiert.“
Jack straffte den Rücken. „Wie lange dauert so etwas?“
„Tja, das ist der Knackpunkt“, erklärte Preacher. „Es hängt von der jeweiligen Person ab. Und Rick? Er ist ziemlich zäh. Da kann es sich etwas hinziehen. Er lässt nicht so leicht locker.“
„Lieber Gott!“, stöhnte Jack, während er sich mit der Hand über den Nacken rieb. „Warum dachte ich bloß immer, ich kenne dich?“
„Keine Ahnung, Jack“, erwiderte Preacher achselzuckend. „Aber noch mal zu Rick. War er nur wütend? Und wie geht es ihm gesundheitlich — ist alles in Ordnung?“
„Er hat immer noch große Schmerzen und steht unter starken Medikamenten. Man bringt ihn nach San Diego. Balboa. Ins Rehazentrum der Marines. Dort soll der Stumpf abheilen und Rick mit dem Rehaprogramm beginnen. Er kann so lange dableiben, bis er mit der neuen Beinprothese klarkommt. Später kann er auch in eine kleinere Wohnanlage umziehen.“
„Der Stumpf muss abheilen und abschwellen. Solange muss man damit warten. Erst, wenn keine Schwellung, Rötung oder rohe Haut mehr zu sehen ist, kann die Prothese angepasst werden. In der Reha wird man Rick beibringen, wie er vermeidet, dass sich die Muskeln zusammenziehen. Der Stumpf muss desensibilisiert werden, damit die Phantomschmerzen verschwinden. Die Physiotherapeuten werden den abgeheilten und gesunden Stumpf in eine Schüssel mit knusprigen Cornflakes stecken und darin herumrühren, um den Nerven beizubringen, dass das Bein an dieser Stelle endet.“
Jack machte große Augen. „Woher hast du denn diesen Scheiß?“
Preacher grinste nur breit.
„Du hast es im Internet gelesen.“
„Tja, ich wollte die Neuigkeiten, die du mitbringst, verstehen.“
„Und wie findest du meine Neuigkeiten?“
Preacher zuckte mit den Schultern. „Wie erwartet.“
Rick verbrachte seine Zeit auf der orthopädischen Station des Militärkrankenhauses in San Diego mit anderen jungen Männern, die ebenfalls von kürzlich erlittenen Verletzungen genesen sollten. Sobald er angekommen war, musste er an einem Schmerzbewältigungsprogramm teilnehmen, und er bekam Physiotherapie. Noch vor Ablauf der ersten Woche musste er täglich zur Physiotherapie gehen. Er konnte zwischen Krücken oder einem Rollstuhl wählen. Doch Rick hatte kaum Interesse daran,die Station zu verlassen.
Während er die anderen Patienten betrachtete, kam er zu dem Schluss, dass man nie vorhersehen konnte, wie Menschen ein Trauma verarbeiteten. Manche waren trotz der schrecklichen Schmerzen richtig fröhlich und andere entsetzlich deprimiert. Sich selbst sah er irgendwo in der Mitte – weder fröhlich noch katatonisch oder trübsinnig. Seit die Dosis der Betäubungsmittel heruntergesetzt worden war, hatte er mit Schlafproblemen zu kämpfen. Rick kam es vor, als versuchte er, in einem Amphitheater zu schlafen. Andauernd war es laut, hell, und überall schien immer irgendwer in Bewegung. Nachts war es besonders schlimm. Da gellten Schreie durch die Korridore der Klinik. Die Patienten schrien entweder vor Schmerzen oder wegen der sie plagenden Albträume. Ein Junge rief ständig nach seiner Mutter. Stöhnen und Schreie gehörten zu den üblichen Geräuschen der Nacht. Doch manchmal ertönte auch unglaublich lautes Gelächter. Rick fürchtete sich davor, in Tiefschlaf zu fallen. Er wollte nicht schreien und seine Verletzlichkeit preisgeben.
Als das Handy von Jack eintraf, war bereits eine Nachricht darauf – von Jack. „Rick, ruf mich an, sobald du das Telefon bekommst. Dann weiß ich, dass es funktioniert. Ruf an, wen du willst … und solange du willst.“ Aber Rick rief ihn nicht an. Er hatte es sich zwar vorgenommen, verschob es aber immer wieder auf später. Nach ein paar Tagen erhielt Rick eine Twitternachricht von Jack. Diesmal klang die Nachricht schon eher wie ein Befehl. „Rick, wenn du mich nicht zurückrufst, komme ich zu dir nach San Diego, um mich zu vergewissern, dass du heil da unten angekommen bist.“
Gezwungenermaßen wählte Rick Jacks Nummer. „Es tut mir leid“, sagte er. „Mir war einfach nicht nach Sprechen zumute.“
„Verständlich“, antwortete Jack mitfühlend. „Wir müssen auch nicht lange miteinander reden. Behandeln sie dich gut dort? Erzähl mal, wie ist es?“
Rick seufzte. Ihm stand nicht der Sinn
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