Zurück in Virgin River (German Edition)
entweder hinter Wolken oder hohen Bäumen. In Virgin River trug man elf Monate im Jahr dicke Jacken, da es in den Bergen fast immer kalt war.
Ricks Handy vibrierte. Er fischte es aus der Hosentasche, um nachzusehen, wer ihn anrief. Unbekannt. Das war ein Trick, den nur Liz anwandte, um ihn zu überlisten. Jack ging ihm nie mit so etwas auf die Nerven, weil Jack ein erwachsener Mann war und kein unreifer Teenie. Rick hörte seine Mailbox ab. Liz schickte ihm mindestens zweimal pro Woche irgendwelche albernen Sachen. Die Kekse, die sie ihm gebacken hatte, waren nicht besonders gut gewesen. Die Zeitungen hatten ausgesehen, als ob sie vorher schon gelesen worden waren. Billiges Rasierwasser, als ob Rick vorgehabt hätte, sich zu verabreden oder sich hier im Rehazentrum der Marines nicht alleine pflegen konnte. Und einen St.-Christophorus-Kettenanhänger. Aber wofür? Damit er ihn ab jetzt beschützte? Dumme, alberne Sachen. Sachen, die ihm Tränen der Rührung entlockten, weil Liz sich so süß und unbeholfen um ihn zu kümmern versuchte. Weil sie ihm eine Freude machen wollte. Er hatte Liz so beschissen behandelt, dass sie sich eigentlich besser von ihm getrennt hätte, um ihre Liebe jemandem zu schenken, der sie auch wirklich verdient hatte.
Ein Auto hielt vorm Haus. Wenige Sekunden später sprang eine Frau aus dem Wagen und rannte zur Beifahrerseite. Ihr Rock war kurz und mit Rüschen besetzt. Das eng anliegende Strickoberteil wirkte kuschelig. Und, lieber Mann, was für ein Hintern – rund, fest und schön. Aarons Frau. Aaron war einer von Ricks Zimmergenossen und ihm im Rehaprogramm eine Woche voraus.
Die Frau reichte Aaron die Hand und stützte ihn, während er mithilfe seiner vorläufigen Beinprothese ausstieg. Aaron fand sein Gleichgewicht in der offenen Tür rasch wieder und zog die Frau an sich. Sie schmiegte sich an ihn, ihre Lippen auf seinem Mund, ihre festen Brüste an Aarons starker Brust. Aaron hatte die Arme um ihre Taille geschlungen, und seine Hand glitt über diesen fabelhaften Hintern. Er drückte die Frau noch fester an sich.
Aaron war ungefähr dreißig und mit dieser Frau verlobt. Er war ein verdammter Glückspilz und benahm sich, als ob alles in Ordnung wäre. Dabei hatte man auch ihn im Irak verwundet, wenn auch nicht gleich in die Luft gejagt. Aaron hatte eine Kugel abbekommen, die sein Knie dermaßen katastrophal zertrümmert hatte, dass sie ihm das Bein abnehmen mussten. Dennoch schien das für ihn, wenn man mit ihm sprach oder ihm zuhörte, nichts weiter als eine verdammte kleine Unannehmlichkeit zu sein. Ricks Gefühle für Aaron schwankten zwischen Bewunderung und Hass.
Während Aaron seine Verlobte küsste, ertönte Ricks Handy laut und durchdringend. Doch Rick beobachtete lieber Aaron weiter, anstatt ans Telefon zu gehen. Er fragte sich, wie es sich wohl anfühlte, wenn man glaubte, man könne es sich erlauben, mit einer Frau zu schlafen.
Aaron hatte erzählt, dass er Hochzeitspläne mit seiner Freundin hegte. Und dann hatte er gesagt, dass er, wenn alles gut lief, seine Freundin zu überreden versuchen würde, den Nachmittag mit ihm in einem barrierefreien Motel zu verbringen. Aaron wirkte sehr glücklich und extrem entspannt. Offenbar hatte sich sein Wunsch erfüllt.
„Willst du, dass ich dich reinbringe, Schatz?“, fragte Aarons Verlobte. Aaron schnappte sich seinen Gehstock vom Vordersitz. „Nö, Süße. Geht schon. Ich versuch dich morgen Abend anzurufen.“ Dann grinste er. „Bin froh, dass wir uns mal wieder um alles gekümmert haben.“
„Ja, ich auch“, sagte sie und küsste ihn noch einmal schnell.„Sieh zu, dass du deine Übungen machst, damit du bald nach Hause darfst.“
„Worauf du dich verlassen kannst“, erwiderte Aaron lächelnd.
Oh Gott, dachte Rick. Geht es vielleicht noch ein bisschen kitschiger? Du bist ein verfluchter Krüppel, Mann! Hast du noch nicht gemerkt, dass du nur noch ein Bein hast? Das Bein, das sie dir gegeben haben, ist nur ein läppischer Ersatz und nicht ansatzweise vergleichbar mit einem echten.
Aarons Zukünftige löste sich nur zögerlich von ihm. Sie schien es kaum ertragen zu können, sie von ihm zu trennen. Rick spürte einen Druck in seiner Brust. In seinem Hinterkopf tauchte von irgendwo ganz vage die Erinnerung an das Gefühl auf, das er empfunden hatte, als er sich vor seinem Irakeinsatz von Liz verabschiedet hatte. Sofort verdrängte Rick dieses Gefühl.
Aaron kam langsam auf Rick, der neben seiner Gehhilfe vor dem
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