Zurueck ins Glueck
Gerste zu welchem Preis bestellt wurde, wo das für die Herstellung von Whiskey unerlässliche Wasser herkam, von welcher Qualität es war, die Gasmenge, die die Heizungen verschlangen; all diese Zahlen und Informationen sog sie in sich auf wie ein Schwamm.
»Der Teufel steckt immer im Detail«, erklärte sie ihrem Vater kenntnisreich. »Man muss auf alle Kleinigkeiten achten, wenn ein Betrieb reibungslos funktionieren soll, und das ist das, was mir am meisten Spaß macht.«
James verstand ihre Begeisterung nicht. Er selbst gab sich nur äußerst ungern mit diesem langweiligen Kleinkram, wie er es nannte, ab, aber Stephanie schien Feuer gefangen zu haben, und das freute ihn. Sie brauchte dringend eine sinnvolle Beschäftigung, und es konnte sich nur als vorteilhaft erweisen, ein weiteres Mitglied der Familie im Betrieb zu beschäftigen.
Er blätterte in seinem Kalender. Heute war Mittwoch – seine Begegnung mit Gillian Johnston lag drei Tage zurück. Er seufzte wehmütig. Drei kurze Tage und drei sehr lange Nächte. Ihm war klar, dass er sich wie ein verliebter Teenager aufführte. Sie hatte ihm keinen konkreten Grund zu der Annahme gegeben, sie könne an einer Beziehung mit ihm interessiert sein, aber der Teufel sollte ihn holen, wenn er nicht wenigstens einen diesbezüglichen Versuch unternahm.
James stand auf und ging in seinem Büro auf und ab. Draußen war es dunkel geworden, und seine Schreibtischlampe brannte, so konnte er sein Spiegelbild in der Fensterscheibe betrachten. Schlecht sah er wirklich nicht aus, sein Körper war noch immer straff und schlank, wenn er sich gerade hielt. In seiner Jugend war er ein äußerst attraktiver Mann gewesen, das wusste er, aber er musste sich eingestehen, dass das graue Haar ihn älter wirken ließ. Seine Gedanken kreisten um die zahlreichen Tönungen, die es in jedem Supermarkt zu kaufen gab. Ob er den Kampf gegen das Grau aufnehmen sollte? Frauen griffen ständig zu solchen Mittelchen, warum sollte er nicht der Natur ebenfalls ein wenig nachhelfen?
»Dad?« Stephanie klopfte an seine Tür. »Bist du gerade sehr beschäftigt?«
James kehrte mit einem Ruck wieder in die Gegenwart zurück.
»Nein, Kleines. Ich wollte eigentlich langsam nach Hause fahren. Es ist schon nach fünf.«
»So spät schon?« Stephanie sah auf die Uhr. »Ich habe gar nicht gemerkt, wie die Zeit vergeht. Ich muss auch los, ich habe Zoë versprochen, ihr bei den Hausaufgaben zu helfen. Aber vorher wollte ich dich noch etwas fragen. Schreibt ihr die Gerstebestellung eigentlich jedes Jahr neu aus?«
»Großer Gott, nein«, wehrte James ab. »Offiziell verwenden wir natürlich nur die auf Dunross erzeugte Gerste, aber den Großteil unseres Bedarfs beziehen wir von einer landwirtschaftlichen Genossenschaft, mit der wir schon seit Jahren zusammenarbeiten. Die Lieferanten innerhalb dieser Genossenschaft wechseln natürlich ab und an, aber das ist normal, darin sehe ich kein Problem.«
»Aber ich, Dad. Ich habe nämlich heute anonym ein paar Anrufe getätigt und Preisangebote eingeholt. Und die lagen vierzig Prozent unter dem, was wir momentan zahlen.«
»Was, so viel? Nicht zu fassen. Dann muss die Gerste aber qualitativ weit minderwertiger sein als die, die wir verarbeiten«, fügte er hinzu.
»Daddy, diese Angebote kamen von den Bauern eurer Genossenschaft.« Sie hielt inne. »Es ging um dieselbe Gerste.«
»Ich höre wohl nicht recht! Diese Bande von Halsabschneidern! Na, das wird ein Nachspiel haben!« James nickte seiner Tochter anerkennend zu. »Gut gemacht, Steph. Du hast dir gerade dein erstes Jahresgehalt verdient. Braves Mädchen.«
»Habe ich deine Erlaubnis, den Herren von der Genossenschaft morgen einmal ordentlich die Hölle heiß zu machen?«
»Und ob du die hast!«
»Gut, dann weiß ich Bescheid.« Stephanie küsste ihren Vater auf die Wange. »Jetzt muss ich mich aber wirklich sputen. Die Mädchen warten bestimmt schon auf mich.«
James sah seiner beschwingt zur Tür hinausstürmenden Tochter nach. Sie hatte keinerlei Ähnlichkeit mehr mit der weinerlichen, nörgelnden jungen Frau, die trübsinnig in Dunross umhergeschlichen war. Ursprünglich hatte er vorgehabt, ihr nur ein kleines Büro zuzuteilen, wo sie mit ihren Freundinnen telefonieren und sich die Nägel feilen konnte. Auf den Gedanken, Stephanie könne sich als echte Bereicherung für die Firma erweisen, wäre er nie gekommen. Hut ab vor Granny Vic, dachte er.
Dann befasste er sich wieder mit seinem Spiegelbild.
Weitere Kostenlose Bücher