Zurueck ins Glueck
nicht viel mehr. Die Delaneys waren keine reichen Leute.
Tess blickte auf. Sie hatte Kathleen gerade dazu bewegen können, sich hinzulegen und die Augen zu schließen. Samantha wirkte in dieser ärmlichen Umgebung merkwürdig fehl am Platz. Obwohl ihr Kleid zerknittert war und sich einzelne Haarsträhnen aus ihrer komplizierten Frisur gelöst hatten, erinnerte sie Tess an eine Prinzessin in einem Slum. Sie trat zum Sofa und sank neben dem Kopf ihrer Mutter auf die Knie.
Tess zuckte zusammen. Das schöne Kleid würde eine so nachlässige Behandlung übel nehmen.
»Mummy, was hast du nur getan?«
Kathleens Lider flogen auf, als sie die Stimme ihrer
Tochter hörte. Sie tastete nach Samanthas rechter Hand. Samantha begriff, dass sie nach einem Ehering suchte. Als sie sich vergewissert hatte, dass die Hand der Braut noch immer ringlos war, sank Kathleen mit einem erleichterten Seufzer in das Sofakissen zurück.
»Ach Sami, Sami, meine kleine Sam.« Sie stimmte den Singsang an, mit dem sie ihre Tochter immer beruhigt hatte, als diese ein Baby gewesen war.
Die Worte übten eine verheerende Wirkung auf Samantha aus; sie stellten eine ganz persönliche Erinnerung an ihre Mutter dar, von der sonst niemand wusste. Ein Damm brach in ihr, und Tränen rannen ihr über die Wangen. »Warum bist du heute gekommen?«, schluchzte sie. »Was für ein Spiel treibst du mit mir, Mummy?«
Kathleen war zu schwach oder vom Alkohol zu benebelt, um sich aufzusetzen. »Es tut mir so leid, mein Engelchen. Ich hätte es dir schon längst sagen sollen, aber ich hatte ja keine Ahnung.«
»Wovon hattest du keine Ahnung?«
»Ich wusste nicht, dass du dich ausgerechnet in ihn verliebt hast.«
»In Cameron?«
»Er ist ein Judge. Diese Menschen sind personifiziertes Gift.«
Samantha überhörte die gehässige Spitze gegen die Judges. »Bei meinem letzten Besuch habe ich versucht, dir alles zu erklären, aber du hast mich ja nicht ausreden lassen. Du bist ausgerastet, sowie ich die Judges erwähnte. Warum? Du wusstest, dass ich für sie arbeite, das habe ich dir schon vor Jahren erzählt, als ich meinen Job angetreten habe. Daran musst du dich doch erinnern!« Ihre Stimme klang so flehentlich, als biete sie all
ihre Kräfte auf, um ihre Mutter dazu zu bringen, endlich zuzugeben, dass ihr ein furchtbarer Fehler unterlaufen war.
»Allerdings erinnere ich mich daran. Weißt du denn nicht mehr, wie ich alles daran gesetzt habe, dir diesen Job auszureden? Ich war völlig außer mir, weil du nicht auf mich hören wolltest.«
Samantha stieß einen tiefen Seufzer aus. »Nein, Mutter. Ich weiß nur, dass du dich sinnlos betrunken und die Judges pausenlos als schlechtes, verdorbenes Pack beschimpft hast. Woraufhin ich versuchte, dir zu erklären, dass dein einziger Feind im Leben der Schnaps und nicht die Familie Judge ist.«
Kathleen brachte genug Energie auf, zustimmend zu nicken. »Ja, Schatz, da muss ich dir Recht geben. Der Alkohol ist nicht mein bester Freund, aber der Judge-Clan schon gar nicht.«
»Du kennst die Judges? Woher?« Samanthas Stimme zitterte. Sie war nicht sicher, ob sie die Antwort wirklich wissen wollte.
»Nimm meine Hand, kleine Sam«, war alles, was Kathleen hervorzustoßen vermochte. Ihre Stimme klang schwach, kaum noch vernehmbar.
»Sprich mit mir«, bat Samantha eindringlich, obgleich sie insgeheim wünschte, ihre Mutter würde nie wieder ein Wort über die ganze Sache verlieren. Sie griff nach Kathleens Hand und drückte sie fest. »Sprich mit mir. Was hast du heute in der Kirche gemeint?«
Doch Kathleen gab keine Antwort.
Samantha fuhr, ein weiteres bitteres Schluchzen unterdrückend, mit erstickter Stimme fort: »Pablo Garcia ist mein Vater. Er lebt in Spanien, in Rioja. Ich habe ihn seit
dreißig Jahren nicht mehr gesehen, aber er ist trotzdem mein Vater. Du hast es mir selbst gesagt. Ich erinnere mich sogar noch an ihn. Pablo ist mein Papa.« Sie gebrauchte das spanische Kosewort für Vater, das sie als kleines Mädchen oft benutzt hatte. »Oder... oder meinst du, dass Cameron dein Sohn ist? Oder bin ich gar nicht deine Tochter? So hilf mir doch, Mum. Ich kann diese Ungewissheit nicht länger ertragen.«
Kathleen lag mit geschlossenen Augen und halb offen stehendem Mund regungslos auf dem schäbigen Sofa. Samantha schüttelte sie sacht. »Hörst du mir überhaupt zu? Werde jetzt ja nicht ohnmächtig, Mum! Beantworte meine Frage! War mein ganzes Leben eine Lüge? Bitte!«, flehte sie. »Warum hasst du die Judges
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