Zurueck ins Glueck
Selbstverständlich trank er Judges Whiskey; alles andere wäre Hochverrat gleichgekommen und vielleicht sogar als Scheidungsgrund gewertet worden – eine durchaus reizvolle Vorstellung, dachte er trübsinnig, während er zusah, wie sich die Eiswürfel immer langsamer drehten und schließlich zum Stillstand kamen.
»Lieber Himmel, David, du machst ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. Wenn man dich so ansieht, könnte man glatt meinen, du wärst derjenige, dem die Braut vor dem Altar weggelaufen ist.« Das kam von Marcus Haywood, Carolines Freund.
So ein Glück hätte ich haben müssen, schoss es David durch den Kopf. Dann rang er sich ein Lächeln ab. »Hi,
Marcus. Entschuldige, ich hab einfach nur meinen Gedanken nachgehangen. Schlimme Geschichte, das heute. Armer Cameron.«
»Ich möchte auch nicht unbedingt mit ihm tauschen. Wie wird deine Frau mit der ganzen Sache fertig? Heute ist kein guter Tag für alle, die den Namen Judge tragen. Arme Stephanie, der Zwischenfall muss sie ja in tödliche Verlegenheit gestürzt haben.« Dann senkte er die Stimme. »Glaubst du, an diesem Gerücht ist etwas Wahres dran?«
David sah ihn an. »Was für ein Gerücht?«, fragte er ungläubig. »Hast du inzwischen irgendetwas Neues erfahren?«
»Nichts Konkretes. Mir ist nur ein bisschen Getuschel über die Judge-Männer zu Ohren gekommen. Offenbar genießen sie hier in der Gegend einen gewissen Ruf – die sagenhafte Judge-Libido, du weißt schon«, versuchte er, David etwas aufzuheitern.
Der Versuch schlug fehl. »Offenbar sind nur die männlichen Judges Träger dieses Gens«, höhnte David, wandte sich ab und drehte sich zur Bar. Marcus entging nicht, dass er seinen Whiskey in einem Zug hinunterstürzte.
»Ach was, David, der Sextrieb der Judges ist ebenso berühmt wie berüchtigt. Ich möchte ja Caros guten Ruf nicht besudeln, aber sie ist nicht nur bildhübsch, sondern auch geradezu unersättlich im Bett.« Marcus zwinkerte ihm zu und grinste dann zufrieden.
David hob sein Glas und bedeutete dem Barkeeper, ihm nachzuschenken, dann richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf Marcus. »Ach ja? Das freut mich für dich, aber trotzdem möchte ich dir einen guten Rat geben. Wenn es dir mit Caroline Judge wirklich ernst ist,
dann sieh dir vorher ihre Mutter an – sieh sie dir gut an, und nimm sie als warnendes Beispiel. Als ich Stephanie heiratete, war sie jung, fröhlich und unbeschwert und darüber hinaus die leidenschaftlichste Frau, die mir je begegnet ist, und dafür habe ich sie geliebt. Und jetzt? Schau dir an, was aus ihr geworden ist!« Er nickte zu seiner Frau hinüber. Sie saß in einem weich gepolsterten burgunderroten Sessel am Kamin, in dem ein helles, einladendes Feuer prasselte, während draußen der Regen gegen die Scheiben trommelte. Doch Stephanie hatte sich nicht bequem zurückgelehnt, um sich von der wohligen Wärme durchfluten zu lassen. Nein, sie kauerte auf der äußersten Kante des Sessels, umklammerte die Hand irgendeines anderen Gastes und wischte sich andauernd mit einem feuchten Papiertaschentuch über die Augen. Sie bot ein Bild des Jammers. Marcus empfand mit einem Mal Mitleid mit ihr.
»Sie ist völlig fertig, David«, nahm er sie in Schutz. »Die ganze Familie hat heute einen schweren Schlag erlitten, und sollte sich herausstellen, dass diese Frau die Wahrheit gesagt hat, dann fangen eure Probleme erst an.«
»Mal doch den Teufel nicht an die Wand, Marcus. Steph ist einfach nur sauer, weil sie meint, immer im Mittelpunkt stehen zu müssen und nie gelernt hat, auch mal zurückzustecken.«
»Von der Bienenkönigin zur einfachen Arbeiterin degradiert!« Marcus lachte, verstummte aber, als David ihm einen finsteren Blick zuwarf.
»Dein Vergleich hinkt. Nein, Madame Stephanie Judge ist es gewöhnt, stets und ständig ihren Willen durchzusetzen und alle um sie herum nach ihrer Pfeife tanzen zu
lassen. Geht es einmal nicht nach ihrer Nase, geht für sie die Welt unter. So wie jetzt.«
»Übertreibst du da nicht ein wenig, David? Der ganze Trubel hat dich sicher ebenfalls mitgenommen, deshalb urteilst du so streng. Gut, Steph ist vielleicht ein bisschen empfindlich, aber sie liebt dich und die Mädchen. Zählt das denn gar nicht für dich?«
David lachte unfroh auf. »Sie liebt Zoë heiß und innig, das ist richtig. Affenliebe nenne ich das. Sie verwöhnt das Kind nach Strich und Faden, und erzähl mir nicht, dir wäre das nicht auch schon aufgefallen. Sogar ich bin nicht so blind, und ich
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