Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
dir habe ich mir redlich verdient.“
Karo stockte der Herzschlag, als sie Sekunden später Angel in der Menge erblickte. Sie hätte nicht kommen dürfen! Denn dann wäre ihr das Schauspiel erspart geblieben, welches die atemberaubende Erscheinung an seiner Seite, eine gertenschlanke Frau mit naturblondem Haar, das ihr in weichen Wellen bis auf den Rücken fiel, um ihn veranstaltete. Die professionell geschminkte und mit teurem Goldschmuck beladene Fremde hakte sich bei Angel unter und schmiegte ihren biegsamen Körper enger an ihn. In ihren Highheels war sie fast so groß wie er und man hätte meinen können, sie sei allein aus diesem Grund auf der Welt – um an der Seite dieses attraktiven Mannes zu glänzen. Sie waren ein schönes Paar, wirklich außergewöhnlich schön, gestand sich Karo ein und ihre Augen verengten sich leicht.
Nimm die Finger weg, er gehört mir, hätte sie am liebsten protestiert und sich zwischen die beiden gedrängt, aber das stimmte leider nicht. Zu ihr gehörte niemand. Niemand hatte jemals zu ihr gehört. Ihre Blicke trafen sich flüchtig. Oh, diese vertrauten blauen Augen, die so oft in ihre gelacht hatten …
Sie öffnete den Mund, er allerdings schaute weg, als wäre sie unsichtbar. In ihrer Kehle bildete sich ein harter Klumpen. Fröhliches Gelächter wehte durch die Räume, sie dagegen war den Tränen nahe. Durch ihr Gehirn zuckte ein Dutzend Szenarien, doch sie suchte eins aus, das ihr ermöglichte, ihre Würde zu wahren. Also blieb sie vermeintlich gelassen sitzen und wandte den Blick ab. Für etwa eine Sekunde.
Das tief ausgeschnittene, schwarze Cocktailkleid der Blonden unterstrich ihre absolut makellose Figur und zeigte mehr, als Karo überhaupt hatte. Sie war ein echtes Rasseweib und selbstbewusst genug, die bewundernden Blicke der anwesenden Ärzte kokett zu erwidern. Doch am meisten genoss sie mit sichtlicher Erregung die intime Nähe zu dem älteren der beiden Gastgeber. Während Angel sie den anderen Gästen vorstellte, drängte sie sich Besitz ergreifend an seine Seite. Sie passten perfekt zusammen. Zustimmendes Nicken, neugierige Blicke und anzügliche Bemerkungen folgten ihnen.
Dagegen hätte sich vermutlich nicht einer der Anwesenden umgedreht, wäre sie heute Abend mit Angel erschienen. Es war nicht Eifersucht, wie Karo schmerzlich erkannte, sondern Trauer, die sich wie ein eisiger Schleier in ihrem Inneren ausbreitete und sie frösteln ließ. Sie gab sich keinerlei Illusionen hin, dafür war sie sich ihrer eigenen unauffälligen Erscheinung viel zu sehr bewusst – ihrem Selbstwertgefühl sei Dank, welches ein untrügliches Gespür dafür hatte, wann es was zu tun gab. Die Gelegenheit nahm es dann stets zum Anlass, sich klammheimlich aus dem Staub zu machen und mit Unschuldsmiene erst dann wieder aufzutauchen, wenn sie es nicht mehr brauchte. Nein, sie konnte nicht mithalten mit diesem blonden Rauschgoldengel. Und wahrscheinlich passte sie selber nicht einmal annähernd zu Angel. Inzwischen war er es ihm wohl ebenfalls klargeworden. Aus welchem Grund hätte er sich sonst so verändert und die Kluft zwischen ihnen beiden vergrößert?
„ Sieh an, das ist also die Kleine, die mein heldenhafter Doktor bei diesem schrecklichen Unfall gerettet hat.“
Mit einer amüsierten Geste streckte ihr die Ärztin sorgfältig manikürte, schlanke Finger zur Begrüßung entgegen. Karo aber erblickte einen männermordenden Vamp mit Reißzähnen und Klauen vor sich und zuckte kaum merklich zusammen.
Angel fiel der stumme Zweikampf der Frauen nicht auf, stattdessen küsste er sie freundschaftlich auf die Wange. „Ich freue mich, dass du gekommen bist, Karo. Was sagst du zu dem Haus? Hast du dich schon umgesehen? Ich hoffe, es findet deine Zustimmung.“
Seine Worte klangen aufrichtig und unbekümmert und hätten in einem unbeteiligten Beobachter durchaus den Eindruck erwecken können, Karos schmerzhafte Erinnerungen an die Auseinandersetzungen der letzten Wochen wären nichts anderes als ein Produkt ihrer übergroßen Fantasie gewesen. War sie damals wirklich aus Angst vor ihm davongelaufen? Hatte sie seinem Jähzorn zu viel Gewicht beigemessen? Möglicherweise hatte die Schwangerschaft sie extrem dünnhäutig werden lassen, was ihr zwar nicht gefiel, aber eine plausible Erklärung für ihre Überempfindlichkeit wäre.
Beim Blick in seine strahlenden Augen wollte sich Karo nichts lieber als genau das einreden. Er lächelte sie an, mit jenem warmen, charmanten Lächeln, das
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