Zurück ins Licht (Das Kleeblatt)
Bandagen gelöst, mit denen er bewegungsunfähig an die Liege gefesselt war. Sie hatten ihren Zweck erfüllt und waren überflüssig geworden. Angels Kraftreserven hatten sich im Kampf um sein Überleben erschöpft.
Eine S timme drang an sein Ohr. Er glaubte sie zu kennen, auch wenn er sie niemandem zuordnen oder gar verstehen konnte, was sie sprach. Er spürte das kühlende Nass auf seinem Gesicht und auf den rissigen Lippen. Mechanisch öffnete sich sein Mund, doch ihm fehlte die Kraft, das Wasser zu schlucken. Seine Kehle war wie zugeschnürt und verweigerte die Aufnahme der Leben spendenden Flüssigkeit. In zwei dünnen Rinnsalen lief sie ihm aus den Mundwinkeln.
Erneut vernahm er die Stimme wie ein Wispern, gleich darauf wurden ihm die verkrampften Kiefer auseinan dergezogen. Er würgte, als ihm eine Sonde in die Speiseröhre geschoben wurde. Die Hand des Unbekannten lag auf seiner glühendheißen Stirn und drückte ihm den Kopf sanft auf die Liege zurück. Er spürte, wie ein Gummischlauch an seinem Oberarm festgezogen und die Armbeuge abgerieben wurde, und ahnte, dass die neuerliche Injektion keine weiteren Leiden bringen würde.
33 . Kapitel
Danilo öffnete die Tür zur benachbarten Haushälfte. Baby Nicolas auf dem Arm, in der anderen Hand balancierte er eine übervolle Einkaufstüte und ein Paket Windeln, kam er vom Kinderarzt zurück. Mit dem jüngeren der Zwillinge war er dort beinahe Stammgast und das nasskalte Aprilwetter setzte auch ihm selber mehr als gewöhnlich zu.
„Urlaubsreif, was, mein kleines Stinkerchen?“, murmelte er und Nicolas klatschte zur Antwort sein e klebrigen Finger mitten in sein Gesicht. „Gleich, mein Schatz, gleich bekommst du einen frischen Po, eine Sekunde nur noch. Erst wollen wir deiner Mama und Luc Hallo sagen.“
Er fluchte still vor sich hin, als ihm erneut die Nase wie ein Eisläufer zu laufen begann und er sich zusätzlich zu einer Hand, mit der er die Tür hinter sich schließen konnte, eine weitere für ein Taschentuch wünschte. Er beobachtete, wie ihm Karo bei seinem Eintreten das Gesicht zuwandte und sich aus ihrem Sessel erhob. Als wäre er gegen eine Mauer gerannt, prallte er zurück und sein Herzschlag setzte aus.
„Er lebt.“
Danilo wirbelte herum und stieß unsanft gegen den Garderobenständer, worauf ihm das Paket Windeln aus der Hand glitt. Völlig perplex starrte er Karo an, die langsam einen Schritt auf ihn zu machte. Er glaubte seinen Augen und Ohren nicht zu trauen.
Sie schaute ihn an. Sie kam auf ihn zu. Und hatte sie wirklich geredet?
Nach mehr als einem halben Jahr Schweigen hatte sie die ersten Worte an ihn gerichtet! Das Herz schlug ihm vor Aufregung und Freude bis zum Hals. Langsam ließ er die Papiertüten auf den Boden gleiten und drückte Nicolas fester an sich.
„Nic geht es gut.“ Danilo musste all seine Beherrschung aufbieten, um ruhig und gelassen zu bleiben. „Wir sollten ihn ein paar Tage …“
„Er lebt“, wiederholte sie leise , aber mit Nachdruck, ohne auf Danilos Worte einzugehen.
Behutsam, gerade so wie er mit seinen schwerkranken Patienten umzugehen pflegte, erkundigte er sich: „Du meinst“ , Danilo schluckte aus Furcht, geradewegs in ein Hornissennest zu fassen. „Du meinst … Angel?“
Als sie den Namen hörte, blickte sie auf. Scheu sah sie in seine Augen, einen flüchtigen Moment nur , nichtsdestotrotz war er Danilo nicht entgangen und beschleunigte seinen Puls fast unerträglich.
S ie trat einen weiteren vorsichtigen Schritt näher, nahm ein kleines Päckchen vom Tisch des Wohnzimmers und drehte es unschlüssig in den Händen. Danilo konnte sich nicht erinnern, das in buntes Papier eingewickelte Etwas am Morgen auf dem Tisch gesehen zu haben.
„Was ist das?“, wollte er wissen.
Ihre Mundwinkel schoben sich nach oben zu einem etwas missratenen Lächeln. Sie beugte sich unmerklich in Danilos Richtung und hielt ihm mit ausgestrecktem Arm das Päckchen entgegen. „Für Angel. Ich … habe es vergessen. An dem Abend … mit … mit Cat.“ Sie verstummte und ihr Blick kehrte in sich.
Oh, mein Gott, Karo, nicht! schrie Danilo innerlich auf. Er hielt den Atem an und spürte, wie ihm das Blut aus dem Kopf wich. Hör nicht wieder auf! Tu uns das nicht an, Karo! Sag irgendwas, bitte, mach weiter. Ich höre dir zu, egal, was du sagst. Du hast früher so viel geredet. Ich kann mich an Tage erinnern, da stand dein Schnabel nicht eine Minute lang still.
Die Angst, Karo könnte derart unvermittelt, wie
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