Zurück von den Toten - Dark Village ; 4
stoppen.
Sie schlurfte über den Asphalt, öffnete die Glastür und schlüpfte hinein. Mit dem Aufzug fuhr sie in den zweiten Stock und betrat das Büro, das ihr Vater zusammen mit Vildes Mutter Sonia gemietet hatte. Beide waren Vertreter für dieselbe Arzneimittelfirma. Deshalb war es ganz natürlich, dass sie sich das Büro teilten. Aber alle wussten, dass sie mehr miteinander verband als ein normales kollegiales Verhältnis.
Oder vielleicht wissen es nicht alle, dachte Benedicte. Aber ich weià es. Und Vilde. Und Nora. Sie hatten zwar keine Beweise dafür, aber es war trotzdem deutlich. Das ging schon seit Jahren so. Benedicte war es zum ersten Mal in der Grundschule aufgefallen â an den Blicken, die zwischen ihnen hin und her gingen, an ihrer Körperhaltung, die übertriebene Aufmerksamkeit für den anderen ausdrückte. Es war nicht so, dass sie als Neunjährige ausführlich darüber nachgedacht hätte. Aber es war unmöglich zu übersehen, dass da irgendwas Eigenartiges in der Luft lag, wenn Vildes Mutter und Benedictes Vater sich im selben Raum aufhielten.
âHi.â
Charlene, das amerikanische Au-pair bei Vildes Familie, stand zwischen den Schreibtischen und lächelte. Benedicte hatte sie noch nicht oft getroffen, aber sie hatte auch keine groÃe Lust dazu. Verglichen mit ihr fühlte sie sich klein und kindisch.
Charlene war groÃ, blond, schlank und schön â viel zu schön! Es war unmöglich, darüber hinwegzusehen. Sie sah aus, als wäre sie direkt einem amerikanischen Film entstiegen.
Und ich bin aus Dypdal, dachte Benedicte. Dem verschnarchten Dypdal.
âHi, halloâ, erwiderte sie.
âHow are you?â, fragte Charlene. âGäites dir gutt?â
âOch, jaâ, sagte Benedicte. Sie fühlte sich hoffnungslos verloren. Charlene sprach elend schlecht Norwegisch und sie selbst war eine Niete in Englisch. Sie wollte nicht reden, hatte keine Lust, sich zu blamieren. Sie merkte, wie sie rot wurde, und blickte sich um. âHast du meinen Vater gesehen?â
âYour father?â
âYes. Lucas.â
âI think maybe heâs out. A meeting or something.â
âHallo, Benedicte, das ist ja nett!â Vildes Mutter Sonia kam um die Ecke, hinter der sich Toilette und Garderobe befanden. Sie hielt ein Portemonnaie in der Hand, das sie offenbar aus ihrer Jacke oder Handtasche geholt hatte. Sie zog zwei Hunderter heraus und gab sie Charlene, während sie mit Benedicte sprach. âLucas ist unterwegs. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis er zurückkommt, denke ich. Aber du kannst gern einen Kaffee oder einen Tee haben, wenn du möchtest. Wenn du Zeit hast?â
âNein, eigentlich â¦â
Sonia hörte gar nicht hin. âHast du einen Einkaufszettel gemacht?â, fragte sie Charlene. âJu nooh wott tu schopp?â
Sie spricht noch schlechter Englisch als ich, dachte Benedicte und grinste hinter vorgehaltener Hand.
âYes.â Charlene nickte. âSure, no problem.â
âVergiss die Zahnpasta nichtâ, sagte Sonia.
âHmm?â Charlene sah sie an.
âBrush.â Sonia tat, als putzte sie Zähne.
âToothbrush?â
âNo!â Sonia blickte Benedicte an. âZahnpastaâ, sagte sie. âWie heiÃt das noch mal?â
âToothpasteâ, sagte Benedicte.
âAh.â Charlene lachte. âYes, I know. Toothpaste. Itâs on the list. So â¦â Sie lächelte wieder â sie lächelte echt andauernd! â, faltete die Geldscheine zusammen und steckte sie in die Tasche ihrer engen Jeans. âIâll do the shopping then. See you later!â Sie lächelte noch breiter und schöner und strahlender, während auf dem Weg zur Tür ihr blondes Haar schwungvoll wippte. Sie winkte Benedicte zu: âBye!â
Benedicte hob die Hand und winkte zaghaft zurück. âYes.â
Charlene ging hinaus und es war ein paar Sekunden lang still.
Sonia seufzte. âDa kann einem die Luft wegbleiben, was?â
âWie bitte?â
âWir können ja nicht alle so seinâ, sagte Sonia.
Benedicte ahnte einen aufmunternden Unterton in ihrer Stimme. Ãrgerlich dachte sie: Tröstet sie mich jetzt, weil ich nicht so hübsch bin wie Charlene?
âManchmal ist es fast ein bisschen anstrengend, sie um sich zu habenâ, fuhr Sonia fort. âZum Glück läuft sie zu
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