Zurückgeküsst (German Edition)
adoptierte er auch ihren Sohn Jason, der im selben Alter war wie Nick. Das wäre vielleicht ganz schön gewesen, hätte Ted Lowery in diesem Moment seinen eigenen Sohn nicht vollkommen vergessen. Christopher, das Kind von Ted und Lila, kam ein paar Jahre später zur Welt.
Ich weiß noch, wie es war, als Nick mir damals alles erzählte. Wir saßen in einer kalten, klaren Winternacht auf einer Bank auf dem Campus. Kurz gesagt, hatte Ted seinen Sohn aus erster Ehe einfach fallen lassen. All seine Liebe galt nun Jason und später Chris. Er trug Jasons Foto in seiner Brieftasche, trainierte dessen Baseballteam und schenkte ihm zum sechzehnten Geburtstag ein Auto.
Die Scheidung zwischen Nicks Eltern war unschön gewesen; die Mutter hatte Ted nie vergeben können und ihn für den Rest ihres Lebens gehasst. Ted revanchierte sich, indem er kein Fitzelchen mehr tat, als ihm das Gericht an Unterhalt und Besuchen auferlegte. Er zahlte zwar nie zu spät, aber niemals auch nur einen Penny mehr. Er verweigerte keinen von Nicks Besuchen, nahm ihn aber auch nicht öfter – ein Wochenende im Monat, gemeinsames Abendessen jeden zweiten Mittwoch, das mit der ganzen neuen Familie zusammen stattfand … Nick sah seinen Vater niemals allein.
Nick lernte schon früh, seinen Vater um nichts zu bitten, dadie Antwort immer dieselbe war. Wenn er einen neuen Baseballhandschuh brauchte, wenn er ins Pfadfinderlager in die Adirondacks fahren wollte, wenn ein Klassenausflug hundert Dollar kosten sollte, sagte sein Vater nur: „Deine Mutter hat genug Geld von mir bekommen. Frag sie.“ Tatsächlich hatte seine Mutter eine miese Abfindung gekriegt und musste zwei Jobs erledigen, um ihren Jungen durchzubringen. Hätte sie doch nur einen Scheidungsanwalt wie mich gehabt!
An den Besuchswochenenden fuhr Nick mit zwei U-Bahn-Linien und dem Zug von seiner Wohnung im Arbeiterviertel Flatbush, Brooklyn, zum wohlhabenden Ort Croton-on-Hudson, wo sein Vater lebte. Hier begann Jason auf der Stelle, ihn zu quälen. Er prahlte mit all den Sachen, die er und „Dad“ gemacht hatten. Er zeigte Nick Fotos von ihrer Fahrt zum Fliegenfischen in Idaho, ihrem Ausflug nach Disney World, ihrem Wochenende in San Francisco. Er sorgte dafür, dass Nick genau wusste, was seine Fußballkleidung, das ferngesteuerte Flugzeug oder der neue Swimmingpool gekostet hatten. Falls Nick einmal so dumm war, ein eigenes, primitives Spielzeug mitzubringen, sorgte Jason dafür, dass es kaputt oder, schlimmer noch, „verloren“ ging.
Als Christopher zur Welt kam, war Nick zehn. Nick liebte den Kleinen, und Chris vergötterte den entfernt lebenden Halbbruder. Wie Nick einmal sagte, war Christopher das einzig Gute an diesen dummen, traurigen Wochenenden gewesen, an denen er als Außenseiter seinen Vater mit der neuen, besseren Familie sah.
„Na, wie ist es so, Nick wiederzusehen?“, fragte Jason jetzt und lehnte sich zu mir herüber. Er roch übermäßig stark nach Polo , ein Geruch, den ich immer mit unseren nervenden Touristen auf Martha’s Vineyard assoziierte.
„Wunderbar“, erwiderte ich.
„Das kann ich mir vorstellen.“ Er hob eine blasse Augenbraue und sah mich beinahe verschwörerisch an. Du Ärmste, ich kann das vollends verstehen – er ist ein Dreckskerl, was? „Tja, irgendwie cool, dass wir jetzt wieder verwandt sind, oder?“
„Wir sind nicht verwandt, Jason. Wir waren es auch nie. Du bist der Stiefbruder meines Exmannes. Es besteht keinerlei familiäre Verbindung zwischen uns, weder biologisch noch gesetzlich.“
„Trotzdem gehörst du irgendwie zur Familie. Weil Chris und … wie heißt sie noch gleich? …“
„Negativ. Willa wird deine Halbschwägerin, falls es so etwas überhaupt gibt. Und was mich betrifft, bist du gar nichts.“ Ich starrte mit meinem kalten Gerichtssaalblick in seine schweinsblauen Augen, und das wirkte.
Er lehnte sich zurück. „Du blöde Gans“, zischte er.
„Vergiss das bloß nicht“, gab ich zurück.
Nick beobachtete mich, und da war es wieder, dieses elektrisierende Gefühl. Ich hoffte, er hatte mitbekommen, dass ich seinem Stiefbruder eine Abfuhr erteilt hatte und auf diese Weise für ihn, Nick, Partei ergriffen hatte. Doch noch ehe ich den Gedanken zu Ende denken konnte, hatte Nick sich wieder dieser Emily zugewandt, die über irgendetwas lachte, was er sagte.
„Möchtest du etwas Brot, Harp?“, erkundigte sich Dennis.
„Sicher. Danke“, murmelte ich.
„Also, Harper, was arbeitest du denn?“, fragte einer
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