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Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält

Titel: Zusammenarbeit - was unsere Gesellschaft zusammenhält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sennett Richard
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leichten Wegen zu suchen, wie sie mit ihren Kindern spielen und reden und sie erziehen können. Um diese Anpassungsleistung zu vollziehen, müssen sie explizit über ihr Verhalten nachdenken, wobei es darum geht, die Rollen zu verändern oder zu erweitern und dabei zu lernen, sie wieder flüssig und spontan auszufüllen. Wenn ihnen das gelingt, erlangen sie Goffman zufolge größere »Geschicklichkeit« im alltäglichen Leben, und mehr noch, sie verleihen Teilen ihres Verhaltens eine ritualisierte Form.
    Michel de Certeau und seine Kollegen haben solche Rituale in ihren vor allem im Lyoner Stadtteil Croix-Rousse durchgeführten Forschungen sehr detailliert beschrieben. Da die Gemeinde arm ist und nur über unsichere Einnahmen verfügt, werden die städtischen Wohnungen und Schulen nur gelegentlich repariert und dann wieder dem Verfall überlassen. Die Menschen dort basteln sich ihr Arbeitsleben zusammen, indem sie jeden Job annehmen, der sich ihnen bietet. Sie leben in ständiger Unsicherheit. Sie versuchen, durch scheinbar unbedeutende Rituale ein wenig Ordnung in ihr Leben zu bringen, so dass sie möglichst harmonisch miteinander auskommen. Zu diesem Zweck müssen sie »Experten« in der Ausführung diverser Rituale werden, die von der Frage, wie man Augenkontakt zu Fremden aufnimmt, bis hin zu der Frage reicht, wie man sich mit einer Immigrantin verabredet, ohne die Regeln des Anstands zu verletzen. Gerade weil die Gemeinde so instabil ist, sind die Menschen laut de Certeau gezwungen, ihr gemeinsames Verhalten ständig umzugestalten. Wie nach einer Scheidung nehmen die Menschen in Croix-Rousse ihre gemeinsamen Gewohnheiten in solchen problematischen Situationen genau unter die Lupe und sprechen darüber, so dass es möglich ist, »die Logik jenes Denkens, das sich nicht selber denkt, ernst [zu] nehmen«. 5 Da die bloße Tatsache der Ordnung für sie bedeutsam ist, wird diese extrem arme Gemeinde von Ritualen zusammengehalten. Die Notwendigkeit zwingt die Menschen dort, zu »Experten« der Straße zu werden.
    Es ist keineswegs erstaunlich, dass Menschen Rituale verändern. Wie im dritten Kapitel beschrieben, haben Riten wie die Kommunion sich über Jahrhunderte herausgebildet; da aber diese Riten angeblich göttlichen Ursprungs sind, sehen die Menschen nicht sich selbst als deren Schöpfer oder Umgestalter an. Bei weltlichen Ritualen finden wir dann die von bewusster Reflexion geprägten Pausen. Diese Pausen, in denen man die Rituale in Frage stellt, sind dem Erleben durchaus nicht abträglich. Sie lassen sich ertragen, wenn die Menschen das Gefühl haben, ihr Verhalten anzupassen, zu erweitern und zu verbessern. Möglich wird das in der Familie oder auf der Straße wie in der Werkstatt aufgrund des beschriebenen Rhythmus der Entwicklung von Fertigkeiten.

Informelle Gesten

    Um die Verkörperung von informellen Aspekten in körperlichen Gesten zu erläutern, will ich den Vorgang zunächst in einer dichten Passage beschreiben.
    Wie das Ritual, so ist auch das soziale Dreieck eine zwischenmenschliche Beziehung. In der Werkstatt des Handwerkers wird diese dreiseitige Beziehung oft physisch oder nonverbal erlebt. Körperliche Gesten und nicht Worte sorgen für Autorität, Vertrauen und Kooperation. Es bedarf gewisser Fertigkeiten wie motorischer Fähigkeiten, wenn körperliche Gesten der Kommunikation dienen sollen, doch Gesten haben noch eine weitere soziale Bedeutung. Sie sorgen dafür, dass soziale Beziehungen als informell empfunden werden. Solche Bauchgefühle kommen auch ins Spiel, wenn wir informell mit Worten gestikulieren.
    Wir wollen diese Passage nun aufdröseln.
    Der Londoner Betrieb eines Streichinstrumentenbauers (die Klinik für mein temperamentvolles Cello) ist kürzlich umgezogen. Die neue Werkstatt wurde sehr sorgfältig von einer jungen Architektin entworfen. Sie bestimmte, wo die verschiedenen Arbeiten jeweils ausgeführt und wo Maschinen und Werkzeuge ihren Platz finden sollten, von den Bandsägen und Werkbänken bis hin zu den Kästen und den kleinen Schraubzwingen, die man für die einzelnen Arbeiten benötigt. Auch über den Geruch der Leime und Firnisse hatte sie sich Gedanken gemacht. Da sie nach alten Rezepturen hergestellt werden, verbreiten sie beträchtlichen Gestank, weshalb die Architektin eine Reihe von Absaugvorrichtungen installieren ließ. Am Eröffnungstag wirkte alles sauber und frisch. Ich sah die drei Geigenbauer und die beiden Geigenbauerinnen wie paradierende Soldaten neben

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