Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
im Munde und einen Dolch neben sich, gefesselt im Zimmer des Gefangenen.«
»Doch jener Mann, welchen er als Gehilfen angenommen hatte?«
»Er war einverstanden mit dem Herzog und ist mit ihm entwischt.« Mazarin stieß ein Ächzen aus.
»Gnädigster Herr,« sprach d'Artagnan und trat einen Schritt näher.«
»Was?« fragte Mazarin. »Mich dünkt, Ew. Eminenz verliert eine kostbare Zeit.«
»Wieso?«
»Wenn Ew. Eminenz den Gefangenen verfolgen ließe, könnte man ihn vielleicht noch einholen. Frankreich ist groß und die nächste Grenze sechzig Meilen entfernt.
»Wer würde ihm nachsetzen?« rief Mazarin. »Ich, bei Gott!«
»Und würdet Ihr ihn ergreifen?«
»Weshalb denn nicht?«
»Ihr würdet den Herzog von Beaufort bewaffnet ergreifen?«
»Hieße mir Ew. Gnaden den Teufel einziehen, würde ich ihn bei den Hörnern packen und hierher schleppen.«
»Auch ich,« versetzte Porthos. »Auch Ihr?« fragte Mazarin und blickte die beiden Männer erstaunt an. »Doch der Herzog wird sich nicht ergeben ohne einen blutigen Kampf.«
»Also Kampf,« entgegnete d'Artagnan mit flammenden Augen; »es ist schon lange, daß wir uns nicht mehr schlugen, nicht wahr. Porthos?«
»Kampf!« rief Porthos. »Und Ihr hofft, ihn wieder einzuholen?«
»Ja, wenn wir bessere Pferde haben als er.«
»So nehmt, was Ihr da von Garden findet und setzet ihm nach.«
»Sie befehlen es, gnädigster Herr?«
»Ich unterzeichne es,« entgegnete Mazarin, nahm ein Papier und schrieb einige Zeilen.«
»Fügen Sie noch hinzu, gnädigster Herr, daß wir alle Pferde, die wir auf dem Wege antreffen, in Beschlag nehmen dürfen.«
»Ja, ja,« rief Mazarin, »im Dienste des Königs, nehmt und eilet.«
»Wohl, gnädigster Herr.«
»Herr du Vallon,« sprach Mazarin, »Eure Baronie sitzt mit dem Herzog von Beaufort zu Pferd«; es handelt sich nur darum, seiner habhaft zu werden. – Aber Euch, Herr d'Artagnan, verspreche ich nichts; bringt Ihr ihn jedoch lebend oder tot zurück, so mögt Ihr fordern, was Ihr wollet.«
»Auf, zu Pferde!« rief d'Artagnan und faßte die Hand des Freundes. »Ich stehe bereit,« erwiderte Porthos mit seiner erhabenen Kaltblütigkeit.
Sie stiegen sonach die große Treppe hinab, nahmen die Garden mit sich, die sie auf dem Wege trafen, und riefen: »Zu Pferde! Zu Pferde!« D'Artagnan warf an der Ecke des Friedhofes einen Mann zu Boden, ohne zu bemerken, daß dieser der Ratsherr Broussel sei; auch war der Vorfall zu unbedeutend, als daß sich so eilfertige Männer dabei aufhalten ließen; die galoppierende Schar setzte ihren Ritt fort, als wären ihre Pferde beflügelt.
Die Verfolger schlugen sofort den Weg nach Vincennes ein, und erfuhren von einem Bauern, daß ein Trupp von Reitern vor kurzer Zeit in großer Eile in der Richtung nach Vendomois galoppiert sei. D'Artagnan und Porthos spornten ihre Pferde zu schärfstem Trabe an; nach längerer Zeit entdeckte man vor sich auf der Straße eine dunkle bewegte Masse, die sich nur undeutlich vom Horizont abhob, sich jedoch bald zerteilte und in zwei Punkte auflöste, die sich rasch näherten. Es waren zwei von des Herzogs Leuten, die die Nachhut bildeten und den verdächtigen Reitern entgegenkamen. Als sie sich d'Artagnan, der vorgeritten war, auf Schußweite genähert hatten, fragten sie in barschem Ton, was man da suche. D'Artagnans Antwort: »Den Herzog von Beaufort!« war kaum verklungen, als sich auch schon ein kurzer, aber um so heftigerer Kampf entwickelte, der damit endete, daß die beiden Leute des Herzogs am Platze blieben, wahrend d'Artagnan und Porthos sich ihrer Pferde bemächtigten. Die bisher gerittenen Tiere waren dem Verenden nahe; der rasende Ritt hatte sie völlig erschöpft und eine» hatte überdies soeben eine Kugel in den Bauch bekommen. Die Verfolgung wurde nun sofort mit verdoppelter Energie wieder aufgenommen; bald hörte man das Stampfen vieler Hufe vor sich und bereitete sich auf einen heißen Kampf vor. Die Leute Beauforts erwarteten ihre Gegner mit schußbereiten Pistolen und gezogenen Degen. In dem heftigen Gefecht, das sich nun in tiefste Dunkelheit entwickelte, hatte d'Artagnan sein Pferd eingebüßt und stand mit blanker Klinge vor einem Gegner, der ebenfalls den Sattel verlassen hatte.
Wahrend des Duells, das sich nun entspann, machte d'Artagnan die Bemerkung, daß sein Gegner einen Arm hatte, der dem seinen wohl gewachsen schien; als er eben zu einem seiner gefürchteten Stöße ausholen wollte, erkannte er beim Feuerschein einer neben
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