Zwei an Einem Tag
ersten Tasse des öligen schwarzen Getränks fühlte Dexter sich etwas besser. Schweigend hörte er dem leicht gezwungenen Geplänkel der WG-Bewohnerinnen zu, die ihre dicken Brillen wie Ehrenabzeichen trugen, und hatte das unbestimmte Gefühl, von einer verbrecherischen Independent-Theatertruppe entführt worden zu sein. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen zu bleiben. Bestimmt war es ein Fehler gewesen, das Schlafzimmer zu verlassen. Wie sollte er sie küssen, während Tilly Killick dasaß und laberte?
Emma für ihren Teil war zunehmend genervt von Tillys Anwesenheit. War Diskretion für sie ein Fremdwort? Saß da, das Kinn auf die Hand gestützt, spielte an ihren Haaren herum und lutschte den Löffel ab. Emma hatte den Fehler gemacht, ein neues Body-Shop-Gel mit Erdbeerduft auszuprobieren, und ihr war schmerzlich bewusst, dass sie roch wie ein angebrochener Joghurt. Am liebsten hätte sie sich nochmals abgeduscht, wagte aber nicht, Dexter mit Tilly allein zu lassen, deren offener Bademantel ihre gute Unterwäsche enthüllte, einen roten, karierten Body von Knickerbox; manchmal war sie so was von plump .
Was Emma wirklich wollte, war, wieder halbnackt mit ihm im Bett herumzuliegen, aber zu spät, dafür waren sie jetzt zu nüchtern. Erpicht darauf, endlich aufzubrechen, fragte sie sich laut, was sie mit dem ersten Tag nach ihrem Abschluss anfangen sollten.
»In den Pub gehen?«, schlug Dexter schwach vor. Emma, der immer noch übel war, stöhnte protestierend.
»Essen gehen?«, sagte Tilly.
»Kein Geld.«
»Wie wärs mit Kino?«, meinte Dexter. »Ich zahle …«
»Nicht heute. Es ist ein schöner Tag, wir sollten an die frische Luft gehen.«
»Okay, der Strand von North Berwick.«
Davor schreckte Emma zurück. Es würde bedeuten, vor ihm einen Badeanzug zu tragen, und der Tortur fühlte sie sich nicht gewachsen. »Ich kann Stränden nichts abgewinnen.«
»Okay, was dann?«
»Wie wärs, wenn wir Arthur’s Seat raufklettern?«, sagte Tilly.
»Da war ich noch nie«, bemerkte Dexter leichthin. Beide Mädchen starrten ihn mit offenem Mund an.
»Du warst noch nie auf Arthur’s Seat?«
»Nö.«
»Du hast vier Jahre in Edinburgh gewohnt und warst noch nie …?«
»Ich war beschäftigt!«
»Womit denn?«, wollte Tilly wissen.
»Anthropologiestudien«, sagte Emma, und die beiden Mädchen lachten gehässig.
»Tja, dann lasst uns gehen!«, sagte Tilly, und eine kurze Pause entstand, als Emma sie warnend anfunkelte.
»Ich habe keine passenden Schuhe«, sagte Dexter.
»Es ist bloß ein Hügel, nicht der K2!«, erwiderte Emma.
»Ich kann doch nicht in Straßenschuhen klettern.«
»Das geht schon, es ist nicht schwer.«
»Im Anzug?«
»Ja! Wir könnten picknicken!« Aber Emma spürte Dexters nachlassende Begeisterung, bis Tilly schließlich sagte:
»Vielleicht solltet ihr zwei besser allein losziehen. Ich muss … noch was erledigen.«
Aus dem Augenwinkel sah Emma, wie Tilly ihr zuzwinkerte, und hätte sich vorbeugen und sie küssen können.
»Na gut. Dann mal los!«, sagte Dexter, dessen Miene sich aufgehellt hatte. Eine Viertelstunde später traten sie hinaus in den diesigen Julimorgen, und am Ende der Rankeillor Street ragten die Salisbury Crags in den Himmel.
»Und da wollen wir wirklich raufkraxeln?«
»Es ist ein Kinderspiel. Glaub mir.«
Sie kauften im Supermarkt an der Nicolson Street das Picknick ein, beiden war das seltsam häuslich anmutende Teilen eines Einkaufskorbes unangenehm, und beide machten sich Gedanken, was sie aussuchen sollten: Waren Oliven zu edel? War es witzig, Irn Bru zu nehmen, war Sekt zu schickimicki? Sie füllten Emmas Armeerucksack mit den Vorräten – Emmas witzig, Dexters pseudo-mondän –, machten kehrt und begannen den Aufstieg entlang der steilen Böschung.
Dexter, im verschwitzten Anzug und glatten Schuhen, fiel etwas zurück, er hatte eine Zigarette im Mund, und in seinem Kopf pulsierte es von zu viel Rotwein und dem Morgenkaffee. Er wusste, er sollte eigentlich die herrliche Aussicht genießen, stattdessen starrte er den Hintern von Emma an, die eine ausgeblichene, an der Taille etwas zu enge, blaue 501 und knöchelhohe schwarze Chucks trug.
»Du bist sehr flink.«
»Ich bin wie eine Bergziege. Zu Hause bin ich oft wandern gegangen, als ich meine Cathy-Phase hatte. Hinaus aufs wilde, stürmische Moor. Mann, war ich seelenvoll. ›Ich kann nicht ohne mein Leben leben! Ich kann nicht ohne meine Seele leben!‹«
Dexter, der nur mit halbem Ohr
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