Zwei an Einem Tag
auf ihn abgefärbt, und er sprach jetzt nicht mehr mit ihr wie mit einer alten Freundin, sondern mehr wie mit unserem nächsten ganz besonderen Gaststar.
»Emma, das hier …« Er legte dem Mädchen eine Hand auf die nackte, knochige Schulter und bildete eine Verbindung zwischen ihnen. »Das ist Naomi, es wird Nomi ausgesprochen.«
»Hallo, Nomi«, sagte Emma lächelnd. Naomi lächelte zurück, den Strohhalm fest zwischen die weißen Zähne geklemmt.
»Hey, trink doch eine Margarita mit uns!« Angeschickert und gefühlsduselig zog er Emma an der Hand.
»Geht nicht, ich muss arbeiten, Dex.«
»Komm schon, nur fünf Minuten. Ich spendier dir ein Getrunk. Ein Getränk . Ich meinte ein Getränk.«
Ian kam mit gezücktem Notizblock hinzu. »Und, möchtet ihr was essen?«, fragte er aufgeräumt.
Das Mädchen rümpfte die Nase. » Eher nicht.«
»Dexter, Ian, ihr habt euch schon getroffen, oder?«
»Nein, nein, noch nicht«, sagte Dexter. »Ja, ein paar Mal«, sagte Ian, und einen Moment lang standen sie schweigend da, das Personal und die Gäste.
»Also, Ian, kannst du uns zwei, nein, drei von diesen ›Remember the Alamo‹-Margaritas bringen? Zwei oder drei? Em, trinkst du einen mit?«
»Dexter, ich habs dir schon gesagt. Ich muss arbeiten.«
»Okay, wenn das so ist, weißt du was? Wir lassen es einfach. Können wir die Rechnung haben …« Ian ging, Dexter winkte Emma zu sich und flüsterte: »Ähm, sag mal, kann ich dir irgendwie, du weißt schon …«
»Was?«
»Das Geld für die Getränke geben?«
Emma sah ihn perplex an. »Ich verstehe nicht.«
»Ich meine, kann ich dir irgendwie, du weißt schon, Trinkgeld geben?«
»Trinkgeld?«
»Genau. Trinkgeld.«
»Warum?«
»Nur so, Em«, sagte Dex. »Ich möchte dir einfach wahnsinnig gern Trinkgeld geben«, und Emma fühlte, wie ein weiterer kleiner Teil ihrer Seele starb.
Das Hemd aufgeknöpft, die Hände unter dem Kopf gelegt, neben sich eine halbleere lauwarme Flasche Weißwein aus dem Supermarkt, döste Dexter in der Abendsonne auf dem Primrose Hill, und sein Kater vom Nachmittag ging nahtlos in den nächsten Rausch über. Der vertrocknete gelbe Rasen auf dem Hügel war übersät mit jungen Berufstätigen, die direkt aus dem Büro kamen, redeten und lachten, während drei verschiedene Kassettenrekorder miteinander wetteiferten, und Dexter lag mittendrin und träumte vom Fernsehen.
Die Idee, professioneller Fotograf zu werden, hatte er ohne großes Bedauern aufgegeben. Er wusste, er war ein passabler Amateur, würde es wohl immer bleiben, aber um ein Ausnahmefotograf wie Cartier-Bresson, Capa oder Brandt zu werden, bedurfte es harter Arbeit, Durchhaltevermögen und Anstrengung, und er war nicht sicher, ob Anstrengung sein Ding war. Das Fernsehen hingegen war im Moment ganz wild nach ihm. Warum war er nicht eher darauf gekommen? In seiner Jugend hatte es immer eine Glotze im Haus gegeben, aber er hatte Fernsehen damals wenig abgewinnen können. Doch in den letzten neun Monaten bestimmte es plötzlich sein Leben. Dexter war ein Bekehrter, und mit der Leidenschaft des Neukonvertiten ertappte er sich dabei, fast sentimentale Gefühle für das Fernsehen zu hegen, als habe er endlich seine spirituelle Heimat gefunden.
Natürlich hatte es nicht den künstlerischen Glanz des Fotografierens oder die Glaubwürdigkeit von Kriegsberichterstattung, aber Fernsehen war wichtig, Fernsehen war die Zukunft. Es war gelebte Demokratie, berührte das Leben der Menschen auf unmittelbare Weise, lenkte die Meinungsbildung, provozierte, unterhielt und fesselte die Leute weit mehr als all die Bücher, die niemand las, und all die Stücke, die keiner sah. Egal, was Emma über die Konservativen sagte (Dexter war auch nicht gerade ein Fan, allerdings mehr aus Gründen der Coolness als aus Prinzip), sie hatten die Medien gehörig aufgemischt. Bis vor kurzem war Fernsehen eine spießige, biedere, öde Angelegenheit gewesen: gewerkschaftlich durchorganisiert, grau und bürokratisch, voller bärtiger Sesselpupser, Weltverbesserer und Muttchen, die Teewagen vor sich her schoben, sozusagen die Showbizabteilung des Gehobenen Dienstes. Dagegen gehörte Redlight Productions zu den boomenden, neuen, jugendlichen, unabhängigen Privatsendern, die den rückständigen Dinosauriern à la John Reith das Wasser abgruben. In den Medien konnte man sich eine goldene Nase verdienen; das verrieten schon die in Primärfarben gehaltenen, mit modernsten Computersystemen und geräumigen
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