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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Nicholls
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grinste er. »Kann man heute noch ›Eroberung‹ sagen?«
    »Wie wärs mit ›Opfer‹. ›Opfer‹ gefällt mir.« Emma lehnte sich plötzlich zurück und zwängte eine Hand in die Hosentasche. »Hier, kannste wieder haben.« Sie warf ihm einen zusammengefalteten Zehn-Pfund-Schein auf die Brust.
    »Nichts da.«
    »Oh, doch.«
    »Das gehört dir!«
    »Dexter, hör mir gut zu. Man gibt Freunden kein Trinkgeld.«
    »Das ist ein Geschenk und kein Trinkgeld.«
    »Bargeld ist kein Geschenk. Wenn du mir was kaufen willst, bitte, aber kein Bargeld. Das ist peinlich.«
    Er seufzte und stopfte sich das Geld in die Hosentasche. »Entschuldige. Nochmals.«
    »Gut«, sagte sie und legte sich neben ihn. »Also, leg los. Erzähl mir alles.«
    Grinsend richtete er sich auf und stützte sich auf die Ellbogen. »Also, am Wochenende hatten wir eine Wrap Party zum Drehschluss …«
    Wrap Party , dachte sie. Er ist jetzt jemand, der zu Wrap Partys geht.
    »… und ich hatte sie schon im Büro gesehen, also gehe ich hin, um hi, hallo, willkommen im Team zu sagen, ganz förmlich, mit ausgestreckter Hand, und sie lächelt mich an, zwinkert, legt mir die Hand auf den Hinterkopf, zieht mich zu sich, und dann …«, er senkte die Stimme zu einem erregten Flüstern, »… hat sie mich geküsst, klaro?«
    »Dich geküsst, klaro?«, sagte Emma, als sie der nächste Tennisball traf.
    »… und schiebt mir mit der Zunge irgendwas in den Mund. ›Was ist das denn?‹, frage ich, und sie zwinkert nur und sagt, ›findest du schon noch raus‹.«
    Sie schwiegen kurz, dann sagte Emma: »War es eine Erdnuss?«
    »Nein …«
    »Eine kleine, geröstete Erdnuss …«
    »Nee, ’ne Pille …«
    »Ein Tic-Tac oder was? Gegen deinen Mundgeruch?«
    »Ich habe keinen Mund…«
    »Hast du mir die Geschichte nicht schon mal erzählt?«
    »Nein, das war ein anderes Mädchen.«
    Es war ein wahrer Tennisballregen, hin und wieder war auch ein Kricketball dabei. Emma streckte sich und konzentrierte sich auf den Himmel. »Du darfst dir nicht ständig von Frauen Drogen in den Mund schieben lassen, Dex, das ist unhygienisch. Und gefährlich. Eines Tages ist es vielleicht eine Zyanidkapsel.«
    Dexter lachte. »Willst du jetzt wissen, was als Nächstes passiert ist?«
    Sie legte sich einen Finger aufs Kinn. »Will ich das? Nö, glaub nicht. Nein.«
    Er erzählte es ihr trotzdem, die übliche Geschichte über dunkle Club-Hinterzimmer, nächtliche Telefonanrufe und frühmorgendliche Taxifahrten quer durch die Stadt; das endlose All-You-Can-Eat-Buffet von Dexters Sexleben, und Emma hörte absichtlich nicht hin und betrachtete stattdessen seinen Mund. Es war ein netter Mund, wie sie sich erinnerte, und wäre sie furchtlos, mutig und asymmetrisch wie diese Naomi-Tussi, würde sie sich jetzt vorbeugen und ihn küssen, und ihr ging auf, dass sie noch nie jemanden geküsst, das heißt, noch nie die Initiative ergriffen hatte. Sie war natürlich schon geküsst worden, plötzlich und viel zu hart von betrunkenen Jungs auf Partys, Küsse, die aus heiterem Himmel kamen wie Kinnhaken. Ian hatte vor drei Wochen einen Versuch gewagt, als sie gerade die Kühlkammer ausgewischt hatte, und er war so schnell auf sie zugestürzt, dass sie zuerst dachte, er wolle ihr einen Kopfstoß verpassen. Sogar Dexter hatte sie vor vielen, vielen Jahren mal geküsst. Wäre es wirklich so schlimm, ihn zurückzuküssen? Was, wenn sie es jetzt tat? Ergreif die Initiative, setz die Brille ab, nimm seinen Kopf in beide Hände, während er erzählt, und küss ihn, küss ihn …«
    »… und Naomi ruft um drei Uhr morgens an und sagt: ›Schwing deinen Hintern in ein Taxi. Jetzt. Sofort.‹«
    Im Geiste sah sie deutlich vor sich, wie er sich mit dem Handrücken über den Mund fuhr: den Kuss abwischend wie Käsekuchen. Sie ließ den Kopf auf die andere Seite sinken, um die Leute auf dem Hügel zu beobachten. Die Abendsonne ging unter, und 200 erfolgreiche, attraktive junge Leute warfen Frisbees, zündeten Einweg-Grills an und schmiedeten Pläne für den Abend. Trotzdem fühlte sie sich diesen Leuten mit den interessanten Karrieren, CD-Spielern und Mountainbikes so fremd, als wäre alles nur eine Fernsehwerbung, vielleicht für Wodka oder kleine Sportwagen. »Warum kommst du nicht nach Hause, Schatz?«, hatte ihre Mutter gestern Abend am Telefon wieder gesagt. »Dein Zimmer ist immer noch da …«
    Emma warf einen Blick auf Dexter, der weiter sein Liebesleben vor ihr ausbreitete, dann auf ein junges, heftig

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