Zwei an Einem Tag
sich noch zwei Fingerbreit Wodka ein, legt den Soundtrack von Reservoir Dogs auf und stolziert zur Dusche.
Eine halbe Stunde später ist Dexter immer noch im Bad und fragt sich, was er gegen seine Schweißausbrüche unternehmen soll. Zweimal hat er nun ein neues Hemd angezogen und sich kalt abgeduscht, aber der Schweiß rinnt ihm immer noch in Strömen den Rücken und die Stirn hinunter, ölig und klebrig wie Wodka, was es vielleicht auch ist. Er schaut auf die Uhr. Schon zu spät. Am besten fährt er mit heruntergekurbelten Scheiben.
Neben der Wohnungstür liegt – damit er es nicht vergisst – ein ziegelsteingroßes, kunstvoll in verschiedenfarbige Papierlagen eingewickeltes Päckchen. Er hebt es auf, schließt die Wohnung ab und geht auf die üppiggrüne Allee hinaus, wo sein Auto auf ihn wartet, ein Mazda-MRII-Kabrio in Rennwagengrün. Ein Auto, das keinen Platz für Beifahrer, ein Dachgestell und kaum genug Stauraum für einen Ersatzreifen, geschweige denn einen Kinderwagen bietet und das lauthals von Jugend, Erfolg und Singledasein kündet. Im Kofferraum ist ein CD-Wechsler verborgen, ein kleines futuristisches Wunderwerk aus winzigen Federn und mattschwarzem Plastik, und nachdem er fünf CDs ausgewählt hat (Werbegeschenke von Plattenfirmen, ein weiterer Jobbonus), lässt er die glänzenden Scheiben in die Box gleiten wie Kugeln in einen Revolver.
Zum Sound der Cranberries kurvt Dexter durch die weitläufigen Wohnviertel von St. John’s Wood – ist nicht wirklich sein Ding, aber man muss immer auf dem Laufenden sein, wenn man den Musikgeschmack der Leute formt. Die A40 ist frei von Stoßverkehr, und bevor das Album zu Ende ist, hat er die M40 erreicht und fährt in westlicher Richtung durch die Leichtindustrie-und Neubausiedlungen der Stadt, in der er ein so erfolgreiches und schickes Leben führt. Kurz darauf lässt er die Vororte hinter sich und fährt durch die Nadelwaldschonungen, die schon zum Landleben gehören. Jamiroquai schallt aus der Stereoanlage, und Dexter fühlt sich jetzt bis auf ein leicht flaues Flattern im Magen um Klassen besser, verwegen und jungenhaft in dem kleinen Sportwagen. Er dreht die Musik lauter, denn diesen Sänger hat er mehrmals interviewt, und obwohl er ihn nicht gerade als Freund bezeichnen würde, kennt er auch den Typen ganz gut, der die Congas spielt. Deshalb verspürt er eine Art persönliche Verbundenheit, als die Band Emergency on Planet Earth spielt. Es ist eine extrem lange Maxiversion, Zeit und Raum verlieren an Bedeutung, während Dexter scheinbar stundenlang mitsummt, bis sich sein Blick trübt und flimmert, die Überreste der Drogen von letzter Nacht in seinem Blut. Erst als er ein schrilles Hupen hört, wird ihm bewusst, dass er mit 180 Sachen genau auf einem Mittelstreifen fährt.
Dexter hört auf zu summen, versucht das Auto wieder auf die mittlere Spur zu lenken, hat aber anscheinend vergessen, wie das geht, und versucht die verkrampften Arme gewaltsam aus einem unsichtbaren Schraubstock zu befreien. Plötzlich fährt Dexter nur noch 90, tritt gleichzeitig auf die Bremse und das Gaspedal, und wieder hupt hinter ihm ein hausgroßer Lkw, der aus dem Nichts aufgetaucht ist. Im Rückspiegel kann er den Fahrer erkennen, ein großer bärtiger Mann mit schwarzer, verspiegelter Sonnenbrille, der ihn anschreit, drei schwarze Löcher im Gesicht wie ein Totenkopf. Ohne sich zu vergewissern, ob die langsamere Spur frei ist, reißt Dexter abrupt das Lenkrad herum und ist sich plötzlich sicher, dass er draufgehen wird, genau hier und jetzt, in einem gleißenden Feuerball zur Langversion eines Jamiroquai-Remix. Aber zum Glück ist die Spur frei, und er atmet ein paarmal kräftig durch den Mund aus wie ein Boxer. Hastig macht er die Musik aus und fährt konstant 110, bis er die Ausfahrt erreicht hat.
Erschöpft sucht er sich einen Rastplatz an der Oxford Road, stellt den Sitz nach hinten und schließt die Augen in der Hoffnung auf Schlaf, sieht aber ständig die drei schwarzen Löcher im Gesicht des schreienden Lkw-Fahrers vor sich. Außerdem ist die Sonne draußen zu grell, der Verkehr zu laut, und es hat etwas Ungesundes, Dubioses, wenn ein nervöser, zappeliger junger Mann an einem Sommermorgen um viertel vor zwölf in einem parkenden Auto herumlungert. Fluchend setzt Dexter sich auf und fährt weiter zu einem Pub am Straßenrand, den er aus Teenagertagen kennt. Der White Swan gehört zu einer Kette, die durchgehend Frühstück und unfassbar billige Steaks mit
Weitere Kostenlose Bücher