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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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erwartete. Hätte sie es gewusst, wäre sicher wieder dieser Tweed-Rock dran gewesen, diese Kostümierung trug sie immer bei tragischen Ereignissen. Da das Schicksal es so aber nun mal nicht gewollt hatte, war sie »pur« zur Arbeit erschienen, und deshalb konnte ich ihr Gesicht auch immer nur flüchtig sehen.
    In aller Regel versperrte mir ihre achtzig Zentimeter lange Haarpracht die Sicht. Und dieses Individuum signalisierte mir nun »Verständnis«! Sie entschuldigte, was ich getan hatte, nicht alles, zumindest aber vieles, und wenn ich mich nicht ganz schwer irrte, sollte ich ihr dafür vermutlich auch noch dankbar sein.
    »Weil du mir damit helfen willst!«, sagte ich. »Weil es mein schlechtes Gewissen erleichtern soll! Habe ich Recht?«
    Daniela antwortete mir nicht, und das war auch gut so.
    »Es gibt nämlich keine Rechtfertigung«, klärte ich sie auf, »nicht für Abtreibungen und nicht für Sterbehilfe. Das sind so himmelschreiende Versuche von Intellektuellen deiner Art. Es ist keine Entschuldigung, wenn man ein Kind tötet, weil es behindert wäre oder unter denkbar miesen sozialen Umständen aufwüchse. Und es ist auch keine Entschuldigung, wenn man einem Menschen sterben hilft, weil er sonst leiden würde.«
    Daniela war sichtlich fassungslos, und da ihr in so einem Zustand auch »Körpersprache leicht gemacht« nicht mehr half, stob sie mit dem Oberkörper nach vorn, presste ihre Füße, die in superflachen Sandalen steckten, fest auf den Boden.
    »Du hast es aber doch getan«, sagte sie. »Wenn es für dich keine Rechtfertigung gibt … warum hast du es dann –«
    »Ich habe es in voller Verantwortung getan«, unterbrach ich sie, »und deshalb brauche ich mich nicht zu rechtfertigen. Ich habe es getan, und ich würde es in diesem Fall immer wieder tun, aber ich halte es vor mir selbst für eine unentschuldbare Schuld.«
    »So kannst du aber doch nicht leben.«
    »Das lass meine Sorge sein!«
    »Aber Eva –«
    »Es hilft mir nicht, wenn du mir verzeihst, weil du irgendwelche logischen Gründe findest. Und es hilft mir auch nicht, wenn Mennert und die anderen im stillen Kämmerlein behaupten, es wäre ja eigentlich so das Beste gewesen. Gott muss mir verzeihen, und ob der es tut, bleibt dahingestellt. Er ist der Einzige, der hier über Recht oder Unrecht zu befinden hat.«
    »Das heißt also, dein einziger Orientierungspunkt für die Zukunft ist das Jüngste Gericht?«
    Der Zynismus in Danielas Stimme war unüberhörbar, doch ließ ich mich nicht davon beeindrucken.
    »So ähnlich«, antwortete ich stattdessen mit dem gleichen Biss. »Ich glaube allerdings nicht, dass Gott das alles überhaupt zugelassen hätte, wenn es nicht in Seinem Sinne gewesen wäre.«
    »Wie bitte???«
    »Du hast mich schon verstanden. Es widerstrebt dir nur, das auch zu begreifen, weil du dich immer so gern so wichtig nimmst. Du glaubst doch an Gottes Allmacht, oder?«
    »Schon, aber –«
    »Dann darfst du dir nicht einbilden, dass du winziges Menschlein in diese Allmacht eingreifen könntest. Dass du Gott versuchen könntest. Was geschehen soll, geschieht!«
    Das war zu viel für das Fräulein Diplompsychologin. Seit ihrem ersten Semester redete sie sich und anderen ein, dass jeder selbst seines Glückes Schmied wäre, und jetzt das!
    »Du glaubst also, was geschehen soll, geschieht!«, vergewisserte sie sich vorsichtshalber noch einmal.
    »Ja.«
    »Gut, dann bringe ich dich jetzt um, Eva, und behaupte, das sollte so sein.«
    »Versuch es!«
    »Das ist nicht dein Ernst, Eva!«
    Für einen kurzen Moment tat Daniela mir richtig Leid. Wochenlang hatte ich mich mit diesen Dingen gequält, hatte sie dann doch wieder aufgegriffen, versucht, sie zu verstehen, es geschafft, sie zu verstehen, und all das, was mich schlaflose Nächte und so manche Träne gekostet hatte, all das warf ich der armen Daniela nun binnen weniger Minuten an den Kopf. Das musste sie verwirren. Das musste ja zur Folge haben, dass sie vor lauter Erregung aufsprang und nunmehr mitten im Zimmer stand.
    »Was ist das für ein Blödsinn!?«, tobte sie.
    Ich musste lächeln. »Ach, Daniela«, seufzte ich, und dann erzählte ich ihr von Claudias Tod, von den Augenblicken danach, von der Wärme, die plötzlich im Zimmer, und von dem Frieden, der plötzlich in mir gewesen war.
    »Ich musste nämlich auf einmal an das denken, was mir meine Mutter am Weihnachtsabend gesagt hat und was ich damals noch gar nicht so richtig verstanden habe. – Wir Menschen suchen alle

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