Zwei Frauen: Roman (German Edition)
zollte mir Respekt, mit jeder Faser ihres Körpers. »Dass du mit denen fertig wirst, Eva!«
»Alles Trainingssache!«
»Kein Wunder, dass du Krebs bekommen hast, kein Wunder! … Und wenn ich mir dann auch noch diese schreckliche Ballettmeisterin in dieser Runde vorstelle, und dann deine Großmutter, und überhaupt …«
Sie sagte das mehr zu sich selbst als zu mir, sie brabbelte es nur vor sich hin und schlich mit gesenktem Kopf aus meinem Zimmer.
Am 14. Februar 1978, einem ganz besonders klaren und sonnigen Tag, erschien Professor Mennert zu seiner üblichen Visite. Im Anschluss daran teilte er mir ohne Umschweife mit, dass es seines Erachtens unumgänglich wäre, mich noch einmal mit Kobalt-60 zu bestrahlen.
»Das würde die Sicherheit einfach erhöhen, Eva!«
Damit waren die weiteren Bestrahlungen eine beschlossene Sache, und ich hatte genau eine Woche Zeit, mich damit abzufinden. Leicht war das nicht. Das Einzige, was dafür sprach, war, dass es sich für mich noch immer ausgezahlt hatte, des Professors Ratschläge zu befolgen. Es war zwar nie besonders angenehm gewesen, das zu tun, aber im Endeffekt war es mir stets zugute gekommen. Wenn er jetzt der Ansicht war, eine weitere Strahlentherapie wäre erforderlich, so musste ich wohl oder übel davon ausgehen, dass er wusste, was er tat.
Mir blieb nichts anderes übrig, als mir eine Methode auszudenken, mit der ich die teuflischen Strahlen überlisten konnte. Voller Konzentration ließ ich das Kobalt in mich dringen, und mit der gleichen Konzentration verbat ich mir Unwohlsein und Schwindelgefühl … und das funktionierte! Nur ein einziges Mal in den kommenden Wochen musste ich mich übergeben, und das auch nur, weil ich zuerst einen Apfel gegessen und anschließend ein Glas Wasser getrunken hatte. Ansonsten ging es mir großartig, ein weiterer Strahlenkoller blieb mir erspart, und damit hatte ich dann endgültig Oberwasser. »Welt, ich komme!«, lautete das Motto, denn ich fühlte mich plötzlich wie eine Auserwählte, wie der einzige Mensch auf Gottes Erde, der ein Patentrezept für den Kampf gegen Krebs und Tod und Teufel besaß. Einmalig und unschlagbar kam ich mir vor, im Vergleich zu mir war sogar Jung-Siegfried eine Niete, denn der hatte ja immerhin eine verwundbare Stelle. Ich hatte so etwas nicht, dachte ich, und deshalb war ich sicher, nunmehr alles erreichen zu können in meinem neuen Leben, sofern ich es nur erreichen wollte. Also fing ich an nachzudenken, was ich denn wohl wollen würde.
Ich überlegte, ob es mir wohl Spaß machen würde, Schauspielerin zu werden, und dieser Gedanke war noch nicht ganz in meinem Kopf, als ich mich auch schon den »Oscar« in Empfang nehmen sah und hörte, wie ich »Mum« und »Dad« und meinem Produzenten dankte. Im nächsten Moment überlegte ich bereits, ob ich nicht vielleicht lieber heiraten und Kinder haben wollte. Sogleich sah ich meinen Mann glückselig unser viertes Kind im Arm wiegen, und der Mann war Reinders, ich scheute vor nichts zurück.
Keine Illusion war mir zu verwegen, kein Gedanke war mir zu weit hergeholt, denn ich konnte ja alles erreichen, wenn ich wollte, und außerdem hatte ich ja mal einen Schwur geleistet.
»Wenn Gott mich wieder gesund macht«, hatte ich geschworen, »dann werde ich nie wieder den Mund halten, wenn mir etwas nicht passt, und ich werde kämpfen und stark sein und niemals wieder ein Gefühl unterdrücken. Ich will richtig leben … ohne Kompromisse … mit aller Konsequenz … wie ein richtiger Mensch!«
Meine großen Zukunftspläne blieben natürlich nicht unentdeckt. Meine Eltern hielten meine Himmelsstürmerei für »gesunde Ablenkung«, die Schwestern fühlten sich dadurch gar zu eigenen Höhenflügen inspiriert, sodass ich das Gefühl bekam, ganz nebenbei auch noch ein gutes Werk zu tun. Dann tauchte eines schönes Tages Daniela bei mir auf. Mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen bezeichnete sie mich als Hauptfigur eines Romans mit dem Titel »Zukunft«, den ich ja jetzt nur noch zu schreiben hätte, und im gleichen Atemzug bat sie mich um einen so genannten »Aufsatz«.
»Das ist reines Interesse!«, behauptete sie. »Schreib mir einfach mal auf, was für Zukunftspläne du so hast.«
»Einfach so?«
»Ja, du brauchst auch nicht bescheiden oder realistisch zu sein, Eva. Lass ruhig deine innigsten Wünsche heraus!«
Im ersten Moment reagierte ich noch sehr skeptisch auf diese Bitte. Die Erfahrung hatte mich gelehrt, dass Daniela selten eine Bitte
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