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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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Eva!«
    »Wahrheit!!!«
    »Lauter!!!«
    »Wahrheit!«
    »Lauter!«
    »wahrheit!!!«
    Das Wort wurde zu einem einzigen Aufschrei.
    Es schwoll magisch an, erfüllte mich, den Raum, die ganze Welt – meine Welt.
    Ich spürte, dass ich zu Boden glitt und mit den Händen verzweifelt nach einem Halt suchte. Ich fand ihn nicht. Wie ein Tier kroch ich über den Teppich, und dabei rannen mir die Tränen in Sturzbächen über das Gesicht. Ich stemmte meinen Körper gegen die Wand, krallte meine Fingernägel in die Tapete, riss sie in großen Fetzen herunter. Es hörte nicht auf. Der Schmerz ließ nicht nach. Er war überall, er beherrschte mich. Und so schrie ich ihn heraus, schrie ununterbrochen immer die gleichen Worte:
    »Wahrheit! Ich will es wissen!«

KAPITEL 11
    Was es mit der so genannten Wahrheit auf sich hat, wusste ich damals noch nicht.
    Ich wusste nicht, dass sie ein Ur-Gedanke ist, den jeder Mensch in sich trägt, unbewusst kennt und bewusst verdrängt. Das sollte ich erst an jenem 30. März 1976 begreifen.
    Es war ein schöner Tag. Draußen schien die Sonne, und es sah ganz so aus, als wäre es nun endgültig Frühling geworden. An den Zweigen meiner Linde spross das erste Grün, die Vögel hatten aufgehört zu frieren und schimpften nicht mehr. Sie sangen. Der Winter war vorüber.
    Professor Mennert schloss leise die Zimmertür hinter sich und kam auf mich zu. Ohne die OP -Kostümierung sah er anders aus, aber er entsprach dem Bild, das ich mir von ihm gemacht hatte. Er war ein väterlicher Typ, sechsundfünfzig Jahre alt, nicht gerade schlank, mit schlohweißem Haar, dicker Hornbrille und einem klugen Lächeln. Er flößte mir Vertrauen ein, und ich übersah sogar den weißen Kittel, dieses Markenzeichen medizinischer Herrlichkeit.
    »Guten Morgen, Eva!«
    »Guten Morgen, Herr Professor!«
    Er wusste, dass ich seit zwei Wochen auf diesen Augenblick gewartet, dass ich ihn förmlich herbeigesehnt hatte. Mehr als zwei Stunden hatte ich für mein Make-up gebraucht, mein teuerstes und schönstes Nachthemd hatte ich an, und nervös war ich, nervös wie nie zuvor in meinem Leben.
    Mennert spürte das. »Ein wundervoller Tag heute«, meinte er betont beiläufig, »nicht wahr?«
    Das machte mich nur noch nervöser. Solche Sätze erinnerten mich an schwachsinniges Party-Geplänkel.
    »Ich war noch nicht draußen«, erwiderte ich und blitzte ihn so wütend an, dass es selbst einem Blinden hätte auffallen müssen. Aber Mennert ging darüber hinweg. Er blieb ganz ruhig und lächelte. »Sie haben sich ja so hübsch gemacht«, sagte er.
    »Ich bin hübsch!«
    »Das wollte ich damit ja auch gar nicht in Abrede stellen.«
    »Das können Sie auch gar nicht!«
    Nun gab ihm sichtlich meine giftige Tonart zu denken. Er sah mich fest an und nahm auf der Bettkante Platz.
    »Sie haben großes Selbstbewusstsein«, sagte er nach einer Weile, und das klang, als wäre diese Feststellung für ihn von größerer Wichtigkeit als für mich.
    »Sie nicht?«, konterte ich.
    »Doch!«
    »Das sieht aber nicht so aus.«
    »Wieso?«
    »Weil Sie hier hereinkommen und über das Wetter und mein Make-up reden.«
    Er schmunzelte über so viel Frechheit, sah aber wohl ein, dass meinem Nervenkostüm weitere Verzögerungen nicht zuzumuten waren. Es stand kurz vor dem Zusammenbruch. Also räusperte er sich. »Wissen Sie, Eva, es ist für einen Arzt immer sehr schwer, einem jungen Menschen sagen zu müssen …«
    Er stockte, und dieses Stocken bereitete mir körperliche Schmerzen. Ich hing an seinen Lippen wie eine Ertrinkende an einem Rettungsring. Er bemerkte es nicht. In aller Gemütsruhe suchte er nach den »rechten« Worten und quälte mich damit. Es war eine Tortur.
    »Ja?«. stieß ich schließlich mit letzter Kraft aus. Es sollte ihn auffordern weiter zu sprechen. Es sollte ihn daran erinnern, dass es mich noch gab, dass ich vor ihm saß und litt.
    Aber er atmete nur schwer, so schwer, dass es schien, der Einzige, der hier wirklich litt, wäre er.
    »Sie sind doch ein intelligentes Mädchen«, fuhr er dann endlich fort. »Sie wissen doch, auf was für einer Station Sie hier liegen. – Ihnen muss ich doch nicht erklären, dass es im Leben nur selten so kommt, wie man es sich wünscht. – Oder?«
    Ich hörte seine Worte, sie schlugen auf mich ein, aber sie drangen nicht zu mir vor.
    Mennert seufzte und ergriff liebevoll meine Hand.
    »Eva«, sagte er leise, »ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man in Ihrem Alter noch nicht ans Sterben denkt.

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