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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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»weitersehen« schon immer an den Rand des Wahnsinns getrieben.
    Trotzdem beruhigte ich mich ein wenig.
    »Hören Sie«, sagte ich schließlich, »ich bin Tänzerin. Wenn ich vier Wochen nicht trainiere, brauche ich acht Wochen, um wieder so gut zu werden, wie ich vorher war. Verstehen Sie, wie ich das meine?«
    »Sicher!«
    »Dann sagen Sie mir, wie lange Sie mich mit Ihrer Therapie hier festhalten wollen.«
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Zwei Monate?«
    »Eva, Sie … –«
    »Vier Monate?«
    »Eva, es ist unmöglich –«
    »Ein halbes Jahr?«
    »Ich sage Ihnen doch –«
    »Werde ich jemals wieder tanzen können?«
    – »Nein!«
    Dieses Nein traf mich unvorbereitet wie ein Keulenschlag. Ich konnte es einfach nicht fassen. Ich hoffte, mich verhört zu haben, das durfte ja nicht wahr sein.
    »Nein?«, fragte ich leise, und meine Stimme zitterte vor Angst.
    »Nein!«, antwortete Mennert.
    In diesem Augenblick wurden all die Träume meiner Kinderzeit ein letztes Mal in mir wach, um dann wie eine Seifenblase zu zerplatzen. Ich sah mich auf der Bühne stehen, den Arm voller Rosen und ein seliges Lächeln auf dem Gesicht. Ich sah mich das Dornröschen tanzen, das »Rosen-Adagio«, ich und Peter Breuer und Paolo Bortoluzzi und Rudolf Nurejew und Mikhail Baryschnikow. Ich sah mich schwitzen, kämpfen, leben … da fiel es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen.
    »Aber Krebs ist doch heilbar«, hauchte ich kaum hörbar.
    Mennert blieb ganz ruhig. »Nicht jeder.«
    »Und meiner?«
    In seinen Augen lag ein Schmerz, den ich nie vergessen sollte. Trotzdem antwortete er ganz sachlich, so, als würde er es ablesen aus einem Handbuch für apokalyptische Propheten.
    »Es mag Fälle geben, die überlebt haben«, sagte er, »rein statistisch gesehen handelt es sich dabei aber um eine verschwindende Minderheit. Sie müssen bedenken, Eva, dass Sie noch sehr jung sind. Ihr Zellwachstum ist rasant, und das bedeutet –«
    »Hören Sie auf! Aufhören! Aufhören!! «
    Ich schrie so laut, dass sich meine Stimme überschlug, und am liebsten wäre ich davongelaufen, weit weg von diesem Grauen. Aber ich wich nur zurück in die hinterste Ecke meines Bettes, ich verkroch mich, mit angezogenen Beinen, die Arme über den Schienbeinen verkreuzt, den Kopf auf den Knien. Solange es mich noch gab, war ich meine letzte Zuflucht. Das fühlte ich. Binnen weniger Minuten hatte man mir alles genommen, ein Wort hatte meine Träume zerstört. Das Luftschloss meiner Fantasien war eingestürzt und hatte mich unter seinen Trümmern begraben. Ich begann zu zittern. Ich spürte, dass es an den Zehenspitzen anfing und an mir emporkroch. Mir war kalt, ich wollte weinen, aber da war auch noch etwas anderes in mir, etwas Stärkeres. Als Mennert mich berührte, wusste ich plötzlich, was es war. Es war Empörung. Wie eine Wilde schlug ich um mich.
    »Ich scheiß’ auf Ihre Statistik«, brüllte ich ihn an. »Wissen Sie überhaupt, was Sie mir da sagen? Ich bin achtzehn Jahre alt. Achtzehn Jahre! Ich habe noch nie mit einem Mann geschlafen, da kann ich doch noch nicht sterben!«
    So spontan ich das herausschrie, so erschüttert war ich, als es heraus war. Mennert lächelte nur, und da schämte ich mich erst recht. Ich wickelte mich in mein Oberbett und sah ihn trotzig an.
    »Warum grinsen Sie? Finden Sie mich so lächerlich?«
    »Ganz im Gegenteil. Es ist nur … wenn man einer Frau sagen muss, dass sie ihr Leben lang querschnittgelähmt sein wird, sagt sie meist, dass sie das nicht erträgt, weil sie keine hohen Absätze mehr tragen kann.«
    Ich versuchte zwar, einen Zusammenhang zu finden, aber es gelang mir nicht. Mein Kopf war zu voll und zu schwer, für Gleichnisse und Parabeln war da kein Platz mehr. Mennert sah das ein.
    »Möchten Sie jetzt ein Beruhigungsmittel?«, fragte er.
    »Nein.«
    »Wirklich nicht?«
    »Ich möchte, dass Sie mir etwas versprechen.«
    »Was soll ich Ihnen denn versprechen, Eva?«
    Meine Stimme zitterte, und ich bemühte mich um jene aufrechte Haltung, die Filmschauspielern in ähnlich dramatischen Szenen auf der Leinwand eigen sind. Nach mehreren vergeblichen Anläufen schaffte ich es schließlich. »Sie haben mich hier ziemlich hinters Licht geführt«, sagte ich. »Sie haben mich belogen. Versprechen Sie mir, dass Sie das nie wieder tun werden. Versprechen Sie mir, dass Sie immer ehrlich sein werden, auch wenn …«
    Ich hielt inne, denn ich spürte die Tränen. Unaufhaltsam stiegen sie auf, sie wollten heraus.
    »Ich

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