Zwei Frauen: Roman (German Edition)
mich nach Strich und Faden.
»Du setzt die da so Flausen in den Kopp«, motzte sie. »Wenn die dat nu wahr macht, geht dat schief, und dann bis du schuld. In sonne Lage dürftes du dich gar nich einmischen. Bisja Jungfrau, has ja keine Ahnung. Ich kenn die Kerle, ich weiß Bescheid.«
Nach achtundvierzig Stunden hatte ich von diesem Gerede dermaßen die Nase voll, dass ich mir Klein-Ina schnappte, ihr Telefonbüchlein und Portemonnaie in die Hand drückte und sie Richtung Telefon bugsierte.
Ina blieb unsicher. »Was soll ich dem Bertram denn sagen?«
»Auf keinen Fall die Wahrheit!«, parierte ich. »Tu so, als ob nichts wäre.«
»Ja, aber …«
»Er darf keine Angst bekommen, Ina. Wenn er Angst hat, kann er sich nicht frei entscheiden, und er soll sich doch frei entscheiden. Oder?«
Ina hielt sich strikt an meine Anweisungen, und der Erfolg war unausbleiblich. Bertram entschied sich völlig frei und ungezwungen: Er erklärte, er hätte keine Lust, Ina zu besuchen, denn ihm läge überhaupt nichts daran, sie wiederzusehen.
»Das ist doch schon so lange her«, meinte er.
»Ich habe aber Sehnsucht nach dir«, erwiderte Ina.
»Nun hör aber auf, Frauen, die so klammern, kann ich nicht leiden.«
Claudia flippte fast aus, als sie das erfuhr.
»Dat hab ich dir gleich gesacht«, schrie sie mich an, »aber du wolltes ja nich hören. Hier has du dat nich mit Menschen zu tun, Eva, hier geht et um Kerle, und dat sind allet feige Schweine, und weil eine wie du zu bescheuert is, dat zu kapieren, muss eine wie de Ina leiden!«
Ina verging nahezu vor Schmerz. Nach dem Anruf bei Bertram lag sie nur noch in ihrem Bett und weinte. Ihr Gesicht verquoll, ihre Augen bekamen einen fiebrigen Glanz, und ihre knochigen, blutleeren Hände streichelten verzweifelt die Urlaubsfotos.
Ich wusste genau, dass ich für diesen Jammer verantwortlich war.
Claudia versuchte sich als literarischer Rächer verschmähter Weiblichkeit und sandte Bertram Schuster eine bearbeitete Fassung ihres ersten Briefentwurfs. Ich war des Erstaunens voll, als Bertram antwortete. Er warf froh, zu wissen, was los sei, wüsste aber nicht, was er jetzt tun sollte.
Claudia fand, dieser Schwächling wollte sich mit einer solchen Antwort clever aus der Affäre ziehen. Das gab sie ihm auch sogleich schriftlich.
»Sie sollten herkommen und unsere Ina zum letzten Mal die große Liebe schwören«, schrieb sie, »damit sie dann in Frieden abkratzen kann.«
Bertram antwortete:
»Das kann ich nicht tun, weil es unehrlich wäre, und dazu kann ich mich nicht durchringen.«
»Sonne feige Sau!«, fluchte Claudia. »Als wenn et um fünfe vor zwölf auf eine Lüge mehr oder weniger noch drauf ankam! Na, den mach ich den Arsch warm.«
In der Folge kam es zwischen Bertram und Claudia zu einem gut florierenden Briefwechsel. Streckenweise sah es ganz so aus, als stünde das Happy End für Ina unmittelbar vor der Tür. Die hatte von alledem keine Ahnung, und das war vermutlich auch gut so.
Bertram Schuster stammte aus einer wohlhabenden Familie und erfreute sich eines Studentendaseins, das frei von finanziellen Sorgen war. Er zählte fünfundzwanzig Lenze und lebte seit langem mit seiner gleichaltrigen Jugendfreundin Sylvia zusammen. Diese Sylvia war äußerst hübsch und selbstbewusst, äußerst klug und eigenständig und äußerst eifersüchtig.
Sie wusste von Bertrams Urlaubsaffäre mit Ina und nahm ihm diesen Fehltritt bitter übel. Da es aber zum Standesdünkel kluger Frauen gehört, niedere Gefühle wie Eifersucht zu verbergen, musste sie sich etwas anderes ausdenken.
»Weißt du«, stachelte sie Bertram gespielt lässig auf, »diese Claudia Jacoby ist eine wildfremde Person. Warum sollte sie sich so für Ina einsetzen?«
Bertram hielt diese Frage durchaus für berechtigt. Schließlich hatte er Sylvia vor Augen, und die setzte sich für niemanden ein, nur für Sylvia.
»Ina schreibt diese Briefe bestimmt selbst«, bohrte sie weiter. »Sie ist gar nicht krank, sie will nur, dass du zu ihr kommst.«
Bertram schwoll der Kamm. Seine weitsichtige Freundin hatte zugegeben, dass sie verstehen konnte, wenn sich auch andere Frauen nach ihm sehnten.
»Glaub nicht, Bertram, dass ich dich zurückhalten will«, endete sie, »du kennst mich. Wir sind beide freie Menschen, und wenn du –«
Dass sie weitersprach, erübrigte sich.
Welcher Mann gibt schon eine so großzügige Frau zu Gunsten eines Mädchens auf, das »klammert«? Außerdem glaubte Bertram schon bald, all
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