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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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er aber nicht«, schnitt Mennert ihm aufgebracht das Wort im Munde ab. »Mensch, Behringer, haben Sie es denn immer noch nicht kapiert? Da draußen wird gelebt, und hier drinnen wird gestorben. Und die da draußen wollen mit denen hier drinnen nichts zu tun haben. Aber auch gar nichts. Die kommen immer erst hinterher, wenn es zu spät ist. Mit Kränzen und Blumen und mit frommen Sprüchen und langen Gesichtern. Und je schlechter das Gewissen, desto aufwändiger das Begräbnis!«
    Mir stockte der Atem, denn eine solch entschiedene Meinung hatte ich meinem distinguierten Herrn Professor nicht zugetraut.
    Im nächsten Moment stürzte Behringer aus dem Büro, rannte den Gang entlang und verschwand im Schwesternzimmer. Ich folgte ihm. Helma und Gertrud waren beide noch da, obwohl ihr Dienst bereits vor Stunden geendet hatte.
    Helma strickte an einem unförmigen Lappen, Gertrud kochte Kaffee. Sie wirkte im Gegensatz zu Helma nervös und fahrig. Das lag an Behringer. Der hatte sich nämlich polternd an den Tisch gesetzt und schlug nun unentwegt mit geballten Fäusten auf die schwere Holzplatte.
    »Ich bring’ den um«, schrie er, »wenn ich den zwischen die Finger kriege, bringe ich ihn um!«
    Gertrud reichte ihm zitternd eine Tasse Kaffee.
    »Hier, trinken Sie das«, säuselte sie, »wird Ihnen bestimmt gut tun.«
    »Lassen Sie mich mit Ihrer verdammten Plörre in Ruhe!«, brüllte Behringer. Dabei schlug er ihr die Tasse aus der Hand, die krachend zu Boden ging. »Die Brühe kann doch sowieso kein Mensch saufen!«
    Dann war es für den Bruchteil einer Sekunde totenstill, bis Gertrud in Tränen ausbrach.
    »Ich werde mich auch nie dran gewöhnen«, schluchzte sie, »niemals. Es fängt an in einem Waschraum, es endet in einem Waschraum, und das bisschen dazwischen ist so furchtbar lächerlich.«
    Ich verstand nicht, was sie damit meinte, aber es machte mich auf eine merkwürdige Weise betroffen. Mit gesenktem Kopf ging ich zurück in Inas Zimmer. Sie war kaum mehr bei Bewusstsein, aber als sie mich hereinkommen hörte, öffnete sie mühsam die Augen.
    »Ist er da?«, hauchte sie.
    »Noch nicht«, antwortete ich und fügte betont zuversichtlich hinzu: »Aber es dauert bestimmt nicht mehr lange.«
    Sie lächelte. »Ich hab’ so lange gewartet … so lange … zu lange …« Dann schloss sie die Augen und schlief ein.
    Kurz darauf kam Mennert. »Sämtliche Apparate abstellen!«, ordnete er tonlos an. Dann machte sich ein völlig verkrampfter Doktor Behringer ans Werk. Helma half ihm dabei, und Gertrud stand im Türrahmen, machtlos und unglücklich.
    Nadel um Nadel wurde aus Inas Körperchen gezogen, ein Schlauch nach dem anderen wurde abgeklemmt und abgeschraubt, die Wunden wurden desinfiziert und verbunden, dann bekam sie auch noch ein neues Nachthemd.
    Mennert streichelte ihre Wange. »Wie ist es, meine Kleine?«, fragte er leise. »Ist es besser so?«
    Ina antwortete ihm nicht, aber ihre zarten Fingerchen tasteten nach seiner Hand, und als er sie beschützend ergriff, entspannten sich ihre Gesichtszüge. Mennert schluckte.
    »Bleiben Sie hier?«, wollte er von Claudia wissen.
    Die nickte. »Gut, dann sagen Sie mir Bescheid.«
    Bevor er endgültig hinausging, strich er mir über das Haar. »Ja, Eva«, sagte er dabei, »so ist das.« Dann ließ er uns allein.
    Keiner konnte hinterher mehr sagen, wie lange Claudia und ich so dasaßen, sie auf einem Stuhl neben Inas Bett, deren Hand haltend, ich am Fußende des Bettes. Wir sprachen kein Wort, und doch war dieses Schweigen lauter als der Lärm einer Geschäftsstraße zur Hauptverkehrszeit. Es war eine lebendige Stille, eine beredte Wortlosigkeit, in deren Fülle man hätte versinken mögen. Sie war mir fremd und dennoch vertraut, sie schien mir die Antwort auf all meine heimlichen Fragen zu sein. Doch bevor ich das Geheimnis dieser unbekannten Seligkeit ergründen konnte, war sie dahin. Sie ging, wie sie gekommen war: plötzlich und unerwartet. Sie hinterließ ein Loch des Grauens. Von einem Augenblick auf den anderen wandelte sich die Stille, sie wurde zur Qual, zu einem schmerzlichen Schrei im undurchdringlichen Dunkel.
    »Sie atmet nicht mehr!«, schrie ich entsetzt. »Claudia, sie atmet nicht mehr!!«
    Inas Brustkorb, der sich gerade noch in regelmäßigen Abständen gehoben und gesenkt hatte, stand still. Claudia blieb im Gegensatz zu mir ganz ruhig. Mit einer routinierten Handbewegung griff sie an Inas Halsschlagader.
    »Se lebt aber noch!«, sagte sie dann.
    Diese

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