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Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Zwei Frauen: Roman (German Edition)

Titel: Zwei Frauen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Beate Hellmann
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Gruber und die lieben Theaterkollegen hinter meinem Sarg stehen, heulend und zähneklappernd, von Kopf bis Fuß schwarz gewandet und von nagenden Gewissensbissen gepeinigt. Dabei wusste ich im Grunde ganz genau, dass das bloßes Wunschdenken war. Keiner von diesen Leuten würde hinter meinem Sarg gehen. Sie würden beim Training oder bei der Probe sein und keine Zeit haben, und selbst wenn sie kämen, würden sie in ihrer Straßenkleidung erscheinen, bunt wie die Harlekine. Keiner würde weinen. »Gut, dass sie es hinter sich hat!«, würde man sagen, und niemand hätte Gewissensbisse.
    Am Nachmittag kam Doktor Behringer. Sein betrübtes Gesicht verriet mir auf Anhieb, dass er etwas auf dem Herzen hatte. Der Befund der Mammographie aber war für mich fast nebensächlich geworden, schwerwiegendere Dinge hatten sich inzwischen ereignet, mich konnte jetzt nichts mehr erschüttern.
    Behringer, der von alldem nicht die geringste Ahnung hatte, bemühte sich derweil sichtlich um die rechten Worte. Er wollte es mir natürlich so schonend wie möglich beibringen.
    »Darf ich die Musik abstellen?«, ging er es an.
    Ich nickte.
    »Darf ich denn auch Platz nehmen?«
    Dass er endlich einmal fragte, bevor er sich setzte, war ein Lächeln wert.
    »Wie geht’s?«
    Ich schwieg, und sein Gesicht bekam einen gequälten Ausdruck.
    »Das ist auch eine Antwort«, meinte er. Dann seufzte er und blickte erst einmal ausgiebig aus dem Fenster. Das kannte ich schon, das war ein Alarmsignal. Sobald es sich um unangenehme Mitteilungen handelte, glitten die Augen der Herrgötter in Weiß über Baumkronen, in Zimmerecken oder in das Unterholz unverständlicher Krankenakten. Daraus schöpften sie Kraft.
    Nach einer Weile rang sich auch der gute Doktor Behringer endlich durch.
    »Die Gynäkologen haben festgestellt, dass Sie einen Knoten in der Brust haben«, sagte er. »Er kann durchaus gutartig sein, so ist das nicht … nur … bei Ihrem Befund ist das …«
    Er stockte, und endlich sah er mir ins Gesicht. »Eva, es besteht der dringende Verdacht auf Mammakarzinom.«
    Nun war es heraus, aber dadurch änderte sich nichts. Nach wie vor saß ich regungslos da, und Behringer konnte es nicht fassen. »Wissen Sie, was das ist?«, erkundigte er sich vorsichtshalber.
    »Krebs!«, antwortete ich, ohne mit der Wimper zu zucken. Es ließ mich völlig kalt. Abgesehen davon, dass ich es geahnt hatte, war es nur gleichgültig geworden. Mochte diese elende kleine Brust doch ruhig verfaulen, ich brauchte sie jetzt ja doch nicht mehr.
    Behringer wusste mit meiner Haltung nichts anzufangen. Da er aber einiges von mir gewöhnt war, ging er darüber hinweg. Das hielt er wohl für das Klügste.
    »Nun«, erklärte er betont sachlich, »die Zeit ist kostbar. Wir haben uns deshalb entschlossen, Sie gleich morgen Früh zu operieren. Das heißt, zuerst wird da nur eine Gewebeprobe entnommen, und die kommt in den Schnellschnitt der Zytologie. Sollte der Befund jedoch positiv sein, dann … dann müssten wir Ihnen die Brust abnehmen.«
    Auch das ließ mich kalt, und Behringer sah sich genötigt, seine unglückselige Aufgabe ohne Umschweife zum Ende zu bringen. Zaghaft zog er ein Blatt Papier aus der Tasche und hielt es mir unter die Nase.
    »Dafür benötigen wir Ihre Einwilligung«, stammelte er. »Hier, lesen Sie es sich in aller Ruhe durch.«
    »Das ist nicht nötig!«, parierte ich. Dabei war meine Stimme beinhart, und die Bewegung, mit der ich ihm die Einverständniserklärung aus der Hand nahm, sprach wohl Bände. Ich hätte ihm ebenso gut einen tödlichen Dolchstoß versetzen können. Dann lächelte ich. »Wissen Sie, Herr Doktor, auf eine Brust mehr oder weniger kommt es jetzt wirklich nicht mehr an. Haben Sie einen Kugelschreiber?«
    Das war selbst für den hartgesottenen Doktor Behringer zu viel. Er fing an, nervös mit den Augenlidern zu klappern, nahm die Brille ab und putzte sie mit einem Zipfel seines Kittels. Das tat er immer, wenn er mit seinem Latein am Ende war. »Aber, Eva«, stotterte er, »wenn wirklich amputiert werden muss, besteht ja auch immer noch die Möglichkeit einer Plastik.«
    Ich lachte laut auf. »Dann nehmt mir doch am besten gleich beide Brüste ab, die hier haben mir ohnehin nie besonders gut gefallen. Wenn ich dann schon künstliche kriege, hätte ich sie gern etwas größer und runder.«
    Ich drückte ihm die unterschriebene Einverständniserklärung in die Hand und schob den Kugelschreiber nach. Behringer schüttelte nur noch den

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