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Zwei Geschichten von der See

Zwei Geschichten von der See

Titel: Zwei Geschichten von der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jorge Amado
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bisschen mehr Nächstenliebe, wenn ich bitten darf, junger Mann …«
    »Denken Sie an das Gebot: ›Du sollst dich nicht lassen gelüsten deines Nächsten Weib‹«, ergänzte der Anwalt.
    »Eine hochanständige Frau!« Der Senator blickte den verwirrten Studenten vorwurfsvoll an. »Ihr Gatte ist schwer krank. Die Ärzte in Rio haben ihm wenig Hoffnung gemacht. Und da er selbst Arzt ist, macht er sich auch nichts vor.«
    »Lassen wir die arme Dame in Frieden, die unser aller Mitgefühl verdient. Zur Sache, Dr. Morais, Sie spannen mich auf die Folter«, warf Dona Domingas ein.
    »Na schön: Heute nennt man
Balzaquiana
eine Frau von gut vierzig Jahren, nicht wahr, Dona Domingas? Wenn sie in vollem …« er schien mit der erhobenen Rechten das richtige Wort zu suchen, »wenn sie in voller Entfaltung ist. Das Alter des Vulkans …«
    »Das ist ja zum Schießen«, sagte der Student, offensichtlich ganz verfehlt.
    »Mit vierzig Jahren?« Der Senator erwog die Frage mit der gleichen ernsten Kennermiene, mit der er gegen Regierungspläne stimmte.
    »Die
Balzaquiana
hat zwei Formen, zwei Arten, zwei Manieren, ihren Status abzulegen, wenn es an der Zeit ist. Die erste ist die Manier der ›Oma‹, die Sie, Dona Domingas, wie keine andere Frau beherrschen, nicht zuletzt dank Ihrer weißen Haare, die Ihrer Schönheit Würde verleihen …«
    »Das ist ein trauriges Kompliment …«
    »Die anderen, jedenfalls die große Mehrzahl, gehen von der
Balzaquiana
zur
Baqueana
über. Damit kommen wir zu der von einem Wissenschaftler aufgestellten Definition der
Baqueana
. Die
Baqueana,
Dona Domingas, ist die
Balzaquiana,
wenn sie
baqueia
 – scheitert –, also eine
Balzaquiana baqueada
wird. Mit anderen Worten: wenn die Vierzigerin – eine gescheiterte Balzaquianerin – auf die fünfzig zugeht und die Form nicht mehr dem Inhalt entspricht …«
    »Was ist das für eine Geschichte?«, wollte die Mestizin wissen, die, die Augen auf den Rechtsanwalt geheftet, stumm und regungslos auf ihrem Stuhl saß.
    »Wenn das Äußere nicht mehr den inneren Bedürfnissen entspricht … Wenn die Falten schlaffes Fleisch werden. Das Schlimmste ist, dass die meisten
Baqueanas
sich nicht über ihren Zustand klar werden und sich wie Backfische oder wie
Balzaquianas
aufführen. Zum Beispiel die kleine Clotilde … Ich kenne ihre Familie gut …«
    »Sie sind aber sehr ungerecht gegen sie«, meinte Dona Domingas. »Sie ist noch lange nicht in diesem Zustand. Sie ist eine
Balzaquiana,
aber längst keine
Baqueana
. Da haben Sie, der Sie ein Fachmann sein wollen, vorbeigeschossen.«
    »Vorbeigeschossen, und zwar gründlich, haben Sie, meine verehrte Freundin. Sie kennen noch nicht einmal die Grundbegriffe einer Wissenschaft und wollen schon Ihren Lehrer eines Besseren belehren … Ich habe ja die Theorie der
Baqueana
noch gar nicht zu Ende entwickelt. Keine einzige alte Jungfer, Dona Domingas, gehört einen einzigen Augenblick ihres Lebens der Klasse der
Balzaquianas
an, sondern geht vom jungen Mädchen sofort zur
Baqueana
über.«
    Vom Deck drangen Stimmen, die über die Spielregeln des Minigolf stritten. Die neugebackene Ehefrau lehnte den Kopf an die Schulter ihres Mannes, um besser zuhören zu können.
    »Wie ist dann die Sache?«, fragte einer der Studenten. »Ich habe eine ganze Reihe von alten Jungfern gekannt, die recht brauchbare
Balzaquianas
waren … Zum Beispiel in einer Pension in Catete, wo ein Freund von mir haust, wohnt eine – und die hat’s in sich!«
    »Bitte beachten Sie einen übrigens offenkundigen Unterschied, Dona Domingas: die
Balzaquiana,
die verheiratet ist und gelegentlich einen Liebhaber nimmt …«
    »Te esconjuro …«, sagte Hochwürden.
    »… ist fröhlich und lebensfroh. Ihre Unruhe, ihr Leiden beginnt erst dann, wenn die Männer ihr keine begehrlichen Blicke mehr zuwerfen.«
    »Das muss aber traurig sein …«, sagte die Mestizin leise.
    »Und wenn sie umsteigen muss, steigt sie in den Teufelskreis der
Baqueana
hinab …«
    »Ihre Theorie ist nicht sehr christlich, Herr Doktor«, lachte der Pater.
    »Wissenschaftlich, Hochwürden.«
    »Die anständige Frau bewahrt die ewige Schönheit der Seele«, deklamierte der Senator.
    »Lassen Sie doch Dr. Morais weitersprechen …« Dona Domingas gebot dem Kreis Schweigen, dieser Senator war wirklich ein Schwachkopf.
    »Sehr richtig, Herr Senator. Aber wenn die Leute eine Frau ansehen, schauen sie nicht auf die Seele, sondern auf die Beine … Aber weiter mit

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