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Zwei Herzen im Winter

Zwei Herzen im Winter

Titel: Zwei Herzen im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MERIEL FULLER
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Hand gab ihr Halt und ein gelegentlicher Blick in sein Gesicht. Irgendwann bildeten die Tanzenden einen Reigen. Er stand seitlich hinter ihr, legte einen Arm um ihre Schultern, zog ihren Rücken an seine Brust, ohne ihre Hand freizugeben, und drehte sich mit ihr im Kreis. Emmeline vergaß ihre Hemmungen, schmiegte sich an ihn und überließ sich den Klängen der Musik. Morgen war alles vorbei, und sie würde ihn nie wieder sehen.
    Er drehte sich noch einmal mit ihr, hob sie in die Höhe, bis sie den Boden unter den Füßen verlor. Der Saum ihres Gewandes wirbelte hoch, gab den Blick auf ihre schlanken Waden in hellseidenen Beinlingen und geborgten feinen Lederschuhen frei. Sein linker Arm war um ihre Mitte geschlungen, der ihre lag an seiner Schulter, sein Gesicht keine Handbreit von ihrem entfernt. Überschäumende Lebensfreude befeuerte ihr Blut, sie hätte vor Glück jauchzen mögen. Er lächelte, eine dunkle Haarlocke fiel ihm jungenhaft in die Stirn. Ihre Blicke verschmolzen ineinander, und beide bemerkten nicht, dass die Musik jäh verstummte.
    Eine tödliche Stille senkte sich über die Halle.
    Maud war aufgesprungen, ihr Gesicht eine wutverzerrte Grimasse. Sie zitterte am ganzen Leib. „Wie könnt Ihr mir das antun!“, kreischte sie mit sich überschlagender Stimme. Zähnefletschend spuckte sie die Worte aus und streckte den Arm anklagend in Talvas’ Richtung. Das spitz zulaufende Ende ihres langen Ärmel wischte über die Tafel und warf einen Kelch um, der Wein ergoss sich rot wie Blut über das schneeweiße Tuch. Einer Magd entfuhr ein spitzer Schrei, bevor sie sich erschrocken die Hand vor den Mund schlug.
    Talvas stellte Emmeline sanft auf die Füße, ohne ihre Hand loszulassen, wandte sich mit fragend hochgezogenen Brauen der Kaiserin zu und wartete stumm auf die Fortsetzung ihrer Anklage.
    „Ihr habt mich verraten, Schurke! Niederträchtiger Halunke!“ Maud hielt ein Pergament hoch, an dem eine Kordel mit einem Wachssiegel baumelte. Der junge Bote hinter ihr machte ein erschrockenes Gesicht über den Wutausbruch der Kaiserin, nachdem sie die Botschaft gelesen hatte. Er trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, sein Umhang und sein Gesicht waren mit Lehm bespritzt.
    „Hättet Ihr die Güte, mich darüber aufzuklären, wessen Ihr mich beschuldigt, Mylady?“, fragte Talvas höflich. Emmeline spürte seine wachsende Spannung hinter seiner zur Schau getragenen Gelassenheit. Er straffte die Schultern, nahm eine lauernde Haltung an, als bereite er sich auf einen Angriff vor. Mauds Gesicht war von einer unvorteilhaften Röte überzogen. Sie ließ sich jäh in den Lehnstuhl fallen, als habe der Zornausbruch ihr die Stimme verschlagen. Earl Robert trat vor.
    „Stephen of Blois wurde heute morgen zum König von England gekrönt“, erklärte er feierlich. Maud entfuhr ein empörter Laut. „Euer Schwager, Talvas.“
    „Ich weiß, wer Stephen ist“, antwortete Talvas gelassen.
    „Er hat mir die Krone geraubt“, kreischte Maud. „Robert sandte eine Botschaft zum Abt von Sherborne mit der Bitte, den Feierlichkeiten meiner Krönung in Winchester beizuwohnen, und dies ist seine Antwort darauf. Das lasse ich mir nicht bieten!“ Sie schlug mit der Faust auf das unschuldige Pergament wie ein verwöhntes Kind.
    „Das ist höchst bedauerlich, Mylady“, entgegnete Talvas gefasst.
    „Höchst bedauerlich für Euch, Mylord“,herrschte die Kaiserin ihn an.„Woher weiß Stephen vom Tod meines Vaters?“ Ein Raunen ging durch die Menge im Saal. Kein Wunder, dachte Emmeline, der Tod des Königs sollte geheim gehalten werden. „Von wem sonst sollte Stephen davon erfahren haben?“, fuhr die Kaiserin fort. Ihre dunklen Augen verengten sich zu Schlitzen. „Eure Schwester Matilda ist mit Stephen verheiratet. Ihr habt ihr gegen mein ausdrückliches Verbot eine Botschaft zukommen lassen. Der Thron ist mir rechtmäßig zugesprochen, und ich werde darauf bestehen. Aber zunächst muss ich wissen, wem ich vertrauen kann. Ihr, Lord Talvas, habt Euch eindeutig als Verräter erwiesen. Wachen, nehmt den Mann fest!“
    Der Befehl hallte von den Mauern der Halle wider. Niemand bewegte sich. Fassungslos blickte Maud in die Gesichter von Talvas’ Untertanen. Die Kaiserin war nicht daran gewöhnt, dass ihren Anordnungen nicht augenblicklich Folge geleistet wurde.
    „Meine Soldaten hören nur auf meine Befehle, Mylady“, erklärte Talvas mit Nachdruck. „Ihr irrt in Eurer absurden Mutmaßung, Mylady, ich hätte Matilda eine

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