Zwei Seiten
dieses Wochenendes vollkommen verloren. Es war jetzt fast das Gegenteil: Ich genoss es.
Sie schaute kurz zu mir und danach wieder nach draußen. »Das kann so nicht funktionieren.«
Ich blinzelte. »Was meinst du?«
Julia blickte wieder aufs Meer hinaus. »Es ist so schön, wenn wir Zeit miteinander verbringen. Ich hätte es am Anfang nicht gedacht, aber ich …«
»Was?« Ich drehte mich etwas mehr zu ihr.
Julia schüttelte den Kopf, so als wollte sie ihre Gedanken abschütteln.
Ich ließ Julias Taille los und nahm stattdessen ihre Hand.
Sie betrachtete unsere Hände.
»Sprich mit mir, Julia.«
Sie schloss immer alle Menschen aus. Aber ich dachte wirklich, sie hätte sich mir etwas geöffnet. Ich hoffte, Julia würde jetzt nicht wieder dichtmachen.
»Ich möchte Oliver nicht verletzen.«
Ich runzelte die Stirn. »Wie kommst du darauf, du könntest das tun?« Plötzlich dämmerte es mir. Ich ließ Julias Hand los und trat einen Schritt zurück. Sie wollte doch nicht etwa andeuten, dass sie für mich mehr als Freundschaft empfand? Oder verstand ich das jetzt alles falsch?
Julia wanderte zur Couch, setzte sich und nahm einen Schluck Kakao. Anschließend stellte sie die Tasse wieder ab und sah mich an. »Es spielt keine Rolle, dass … dass da nichts ist. Oliver wird immer Zweifel haben. Wir verstehen uns einfach zu gut.«
»Das ist der größte Mist, den ich je gehört habe. Da schaffe ich es, endlich über meine Vorurteile hinwegzusehen, und fange an, dich nicht mehr nur als die Lesbe, sondern meine Freundin Julia zu sehen, und dann sagst du mir, wir können nicht befreundet sein, weil der angeblich sooo tolerante Oliver meint, ich würde etwas mit dir anfangen? Das ist lächerlich.« Ich musste nach meiner kleinen Ansprache erst mal nach Luft schnappen.
Julia senkte den Blick und ich konnte förmlich hören, wie es in ihrem Kopf ratterte. »Wie ich dir schon mal gesagt habe, würde ich niemals etwas mit dir anfangen oder dich irgendwie anfassen … also auf diese Weise. Du bist die Freundin meines Bruders. Meines Zwillingsbruders. Niemals würde ich ihm das antun.«
Ich ging einen Schritt auf sie zu. »Das weiß ich und i…«
Sie hob die Hand. »Es ist wohl besser, wenn wir«, sie holte tief Luft, »unsere Freundschaft nicht weiter verfolgen.«
Was? Ich starrte sie an. Unsere Freundschaft sollte enden, bevor sie richtig begonnen hatte? Mein Magen krampfte sich zusammen. »Nein.«
»Nein?«
»Ganz richtig. Nein. Du liebst deinen Bruder und ich verstehe, dass du ihn nicht verletzen willst, aber erstens ist zwischen dir und mir überhaupt nichts.« Ich gestikulierte wild zwischen uns hin und her. »Du weißt schon.«
Julia sah mich ausdruckslos an.
»Und zweitens weiß ich nicht mal, ob ich mit ihm sehr viel länger zusammenbleiben werde.« So, jetzt war es raus.
Julia saß da wie zur Salzsäule erstarrt. Irgendwann senkte sie den Kopf. »Das hättest du mir nicht sagen sollen. Wie kann ich ihm denn jetzt gegenübertreten und so tun, als ob alles in Ordnung wäre?«
Mit wenigen Schritten eilte ich zur Couch und setzte mich neben Julia. Ich wartete, bis sie mich ansah. »Julia, es … es tut mir leid, dass ich dich in diese Lage gebracht habe. Ich weiß noch nicht, was ich machen werde. Also wegen Oliver. Ich mag ihn, weißt du? Aber da ist einfach nicht mehr.«
»Dann sei ehrlich zu ihm.«
Ich ließ mich zurückfallen. »Ich will ihm nicht wehtun.«
»Wenn du seine Gefühle nicht erwiderst, ist es doch nur eine Frage der Zeit, bis du ihm wehtust und nicht ob. Also mach es lieber bald, oder es wird nur noch schmerzhafter für ihn.«
Julia hatte recht. Ich senkte den Blick.
»Ich werde ihm nichts sagen. Das musst du ganz alleine tun.«
»Ich weiß«, sagte ich leise.
* * *
Das Wohnzimmer war kühl ohne Feuer im Kamin, doch das war mir egal. Ich schaute durch die Glastüren aufs Meer hinaus. Immer, wenn ich dachte, mein Leben war kompliziert, kam noch etwas. Ich musste einen Entschluss fassen. Würde ich weiter mit Oliver zusammenbleiben oder Schluss machen? Andere würden wahrscheinlich gar nicht darüber nachdenken und die Sache einfach beenden. Aber andere waren nicht ich. Was wäre denn ohne Oliver so anders? Wir kannten uns erst so kurze Zeit. Verdammt, was war mein Problem?
Als Julia das Zimmer betrat, zuckte ich zusammen.
Sie ging zum Kamin. »Entschuldige, wenn ich störe. Es ist ziemlich kalt hier, und ich dachte, du frierst eventuell.«
Ich drehte mich um und beobachtete Julia,
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