Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
wieder zurück. Vermutlich wollte mich keiner der beiden haben.«
Vielleicht wollte ich dich einfach mehr.
Um zu verhindern, dass sie die Worte laut aussprach, stopfte sie sich einen undamenhaft großen Bissen Brot in den Mund und kaute mühsam.
Er schob seinen Kaffee beiseite, griff in seinen Offiziersrock und holte zwei Münzen heraus. Er warf sie auf den Tisch, wo sie auf dem blau-weiß karierten Tischtuch wie zwei Messingscheiben anmuteten. Bei näherer Betrachtung sahen sie ganz anders aus als die Münzen, die Meredith kannte. Sie nahm eine in die Hand und hielt sie ins Licht, drehte sie zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her. Die Scheibe war grob gestanzt, der Rand nicht gleichmäßig rund geformt. Auf einer Seite erhob sich das Relief eines Pferdekopfs, auf der Rückseite gewahrte sie einen Pferdeschweif.
Ihr entfuhr ein Lachen. »Ist das eine fremde Währung von Ihren vielen Reisen?«
»Nein. Diese Münzen bezeugen die Mitgliedschaft in einem vornehmen Herrenclub, der sich Stud Club nennt. Der Besitz einer dieser Plaketten räumt dem Inhaber Zuchtrechte an Osiris, Englands wertvollstem Hengst, ein. Die Statuten des Clubs besagen, dass die Münzen weder verkauft noch käuflich erworben oder verschenkt werden dürfen. Sie können lediglich beim Glücksspiel gewonnen oder verloren werden. Auf der ganzen Welt gibt es nur zehn dieser Münzen, und ich besitze momentan zwei davon. Wissen Sie, wie ich in den Besitz selbiger Münzen gelangt bin?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Es war schlicht und ergreifend Schicksal. Ohne eigenen Verdienst wurde ich von Schlimmerem verschont, während andere Männer – bessere Männer – starben.« Er stützte sich mit einem Ellbogen auf den Tisch und warf einen Blick durch das Fenster. Die helle Morgensonne ließ ihn blinzeln, worauf sich die Narbe an seiner Schläfe in winzige Falten grub.
Er wog eine der Münzen in der Hand und fuhr fort: »Diese Münze gehörte einem Offizier in meinem Bataillon. Hauptmann Frank Brentley aus York. Er war ein guter Mann. Seine Frau reiste mit der Kompanie – sie stopfte mir die Hemden. Er trank keinen Tropfen, aber er war ein besessener Spieler, der das Würfel- und das Kartenspiel liebte. Die Geschichte ist folgende: Er gewann diese Münze beim Vingt-et-un. Behauptete, sein ganzes Leben sei mit einer Glückssträhne gesegnet.«
Er drehte die Münze auf dem Tisch. »Nun, seine Glückssträhne endete bei Waterloo. Wir hielten die linke Flanke der Gefechtslinie, als ein Voltigeur wie aus dem Nichts heranpreschte. Brentley, der neben mir war, wurde von einem Büchsenschuss aus nächster Nähe niedergestreckt, dass sein blutiges Gedärm aus seinem aufgerissenen Armeerock quoll.«
Meredith schluckte betreten, denn der Bissen Brot drohte ihr im Halse stecken zu bleiben.
»Verzeihen Sie. Das ist keine angemessene Unterhaltung für ein Frühstück, ich weiß. Wie dem auch sei, nachdem ich den französischen Soldaten getötet hatte, trug ich Brentley aus der Gefechtszone. Ich versuchte, es ihm so angenehm wie möglich zu machen. Er zog diese Münze aus seiner Rocktasche. ›Sie müssen darum spielen‹, sagte er. ›So verlangen es die Regeln. Kopf oder Schweif?‹ Mit diesen Worten verstarb er, die Münze rollte aus seiner Hand, und sie war zu blutverschmiert, um die Prägung zu erkennen. Doch ich hatte den Münzenwurf gewonnen, nicht wahr? So ist mein Leben. Als hätte ich eine Münze, mit der Prägung ›Leben‹ auf der einen und ›Tod‹ auf der anderen Seite. Ganz gleich, wie oft ich sie in die Luft werfe, sie trifft stets mit der Kopfseite nach oben auf.«
Er griff nach der zweiten Münze. »Diese gehörte Leo Chatwick, dem Marquis of Harcliffe. Er war der Gründer des Stud Clubs. Auch ein guter Mann. Er besaß alles – Jugend, Vermögen, ein anziehendes Äußeres. Wurde überall bewundert. Es ist jetzt fast zwei Monate her, dass er kaltblütig ermordet wurde, als er nachts durch den falschen Teil von Whitechapel ging. Zusammengeschlagen und ausgeraubt von Straßenräubern, und seine Mörder wurden bislang nicht gefasst.«
Meredith zuckte betroffen zusammen. »Wie furchtbar. War er ein sehr enger Freund von Ihnen?«
»Nein. Ich habe diese eine Lektion verinnerlicht. Ich habe keine engen Freunde.«
Seine Worte erfüllten sie mit Mitgefühl, fachten indes auch ihren Stolz an. Er wollte eine Frau, aber keinen Freund? Das Hochgefühl, das sie bei seinem Antrag erfüllt hatte, verlor sich zusehends. Was auch immer ihn zu einer
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